30 Jahre in China

Nachdem ich 10 Jahre lang dort in China alles aus dem wirklichen Nichts heraus aufgebaut hatte, fingen wir an in immer stärkerem Maße zu produzieren. Ich baute einige Fabriken auf. Dafür benötigt man Kapital – und das bekommt man normalerweise von den Banken. Den chinesischen Banken war es noch nicht möglich, so etwas zu finanzieren. Ich fand in unserer Hamburger Hausbank einen Direktor, der uns wohlwollend begleitete. Für ihn war solch ein Kredit eine absolute Vertrauenssache.
Für seine jungen Mitarbeiter war so ein Bankkredit in keinem Computerprogramm vorgesehen.
Und weil der alte Direktor sagte, dass seine jungen Kredit-Sachbearbeiter sowieso nur maximal 2 Seiten lesen können, bevor sie sich wieder unruhig ihrem Computer zuwenden, bat er mich, zumindest für ihn alles einmal zusammengefasst aufzuschreiben. Das habe ich gemacht.

Dieser Bericht ist entsprechend überwiegend sachlich und realistisch – so wie die Banken es haben wollen. Trotzdem kann man an mancher Stelle sehen, wie es in diesen unruhigen Zeiten wirklich zuging in Deutschland und in China.

Der Joint-Venture Report

Eine Hintergrund-Information über die Joint-Ventures zwischen China und Theves Henckell

Vorwort

Um Auswirkung, Tragweite und Wertigkeit dieses Joint Venture zu verstehen, muss man, wie bei den meisten Dingen, den gewachsenen Zusammenhang erkennen

Dies ist nur möglich, wenn die Geschichte niedergeschrieben wird.

Da dies wiederum nur von einem Hauptbeteiligten gemacht werden kann, habe ich mich entschlossen, diesen Bericht zu schreiben.
Es gibt in Europa und China noch genügend Personen, die den Wahrheitsgehalt dieses Reports bestätigen und ihn auch ggfls. in dem einen oder anderen Punkt ergänzen könnten.

Ich selber habe mich bemüht, so ausführlich wie nötig und so genau wie möglich die Entwicklungen und Zusammenhänge aufzuschreiben.

Da die Joint Ventures praktisch den Höhepunkt und gleichzeitigen Abschluss meines beruflichen Lebens darstellen, kann ich für mich privat diesem Bericht noch den Titel hinzufügen:

Von Argentinien bis Aldi

Der Anfang – die Pfeffersäcke

In den klassischen deutschen Handelsstädten Hamburg und Bremen gibt es 2 typische Berufssparten: den Exporteur und den Importeur.

Der Exporteur hatte in den letzten Jahrhunderten die Aufgabe, die Anfragen aus der ganzen Welt zu bündeln und für jede Anfrage die entsprechenden Hersteller in Deutschland zu finden.
Er war der Generalist.
War er erfolgreich, erhielt er die Bestellung aus dem Ausland – meist aus Übersee – und sorgte dafür, dass die bestellten Artikel von Deutschland aus nach Afrika, Amerika oder Asien geliefert wurden.

Er verkaufte heute Kunststoffe oder Katzenklos, morgen Medizinschränke oder Milchpulver und nächste Woche Zitronenpressen oder Zementfabriken.

Der Importeur war das Gegenteil.
Er war der Spezialist.

Er war und ist auf ganz bestimmte, meist sehr enge Warengruppen spezialisiert.

Er kaufte in der ganzen Welt ausschließlich diese Warengruppen ein, brachte sie nach Hamburg oder Bremen und hielt sein ganz spezielles Artikelsortiment dann auch auf Vorrat am Lager.

Jeder Importeur war somit gleichzeitig Warenfachmann.
Typisch waren z. B. die Fach-Importeure von Kaffee, Tee, Gewürzen, Gummi ( Kautschuk), Tropenhölzern, Häuten und Fellen, Trockenfrüchten, Ölen und Fetten, Wolle und Südfrüchten.

Geliefert wurden diese Rohstoffe an die gesamte europäische verarbeitende Industrie, von der laufend die Chefs oder Einkäufer in die Hafenstädte kamen, um auf den Speichern und Lagerböden im Freihafen die dort eingelagerten Partien der Importeure zu besichtigen und bei Gelegenheit zu kaufen.

Die meisten dieser Rohwaren wurden in Kisten, Ballen, Fässern oder Säcken gelagert.
Und da die Inhaber dieser Import-Firmen fest im mittelständischen Großbürgertum lebten, gab es schon bald den anerkennenden und leicht ironischen Sammelbegriff für diese Kaufleute: – die hanseatischen Pfeffersäcke.

Ich wurde in so einen hanseatischen Pfeffersack-Klan hineingeboren.

Vor knapp 100 Jahren gründete mein Großvater im Jahre 1909 die Firma Henckell & Co. und man beschäftigte sich mit dem Import und der Lagerung von tierischen Rohprodukten.

Darunter ist folgendes zu verstehen:

Auf der ganzen Welt werden Tiere gehalten, gezüchtet und geschlachtet, um Fleisch zu gewinnen.
Egal, ob es sich um Rinder in Südamerika und im mittleren Westen der USA handelt, um Schafe und Lämmer aus Argentinien, Australien oder Neuseeland, um Geflügel aus China oder Südostasien oder um Strauße und Antilopen aus dem südlichen Afrika – immer gibt es den Schlachthof. Und in jedem Schlachthof gibt es zwei Abteilungen: Die Hauptabteilung „Fleisch“ und die Nebenabteilung „Sonstiges“.

In der Hauptabteilung Fleisch wird weltweit jenes Fleisch verarbeitet, das heute meistens bereits fertig portioniert und eingefroren in die Weltmärkte der Mac Donalds und Co gelangt.

In der anderen Abteilung werden alle Nebenprodukte sortiert und für den Export fertiggemacht:

Von Großvieh die Häute für die Lederindustrie, von Schafen und Lämmern die Wolle und Felle für die Kammgarn- und Schuhindustrie, von Schweinen die Felle für die Lederbekleidung, die Borsten für die Bürsten und Pinsel, vom Federvieh die Federn und Daunen für die Bettenindustrie, von vielen die Därme für die Wurst-Industrie und von allen dann noch Blut und sonstige Innereien für die Medizin- und Kosmetik-Industrie.

Alle diese „Nebenprodukte“ sind in der Fachsprache unter dem Generalbegriff „byproducts“ bekannt.

Die Firma meiner Familie hatte sich spezialisiert auf den Handel und Import von byproducts und hierbei besonders auf Häute, Felle, Leder, Pelze, Wolle, Federn und Därme.
Schwerpunkte innerhalb dieses Sortiments waren Pelze und Lammfelle.

Sowohl mein Großvater als auch mein Vater handelten ausschließlich mit Rohwaren.

Das heißt vereinfacht gesagt, im Schlachthaus wurden die Lammfelle z.B. vorsortiert nach Größe und Qualität ( beschädigt oder nicht beschädigt) und ob die Felle lange oder kurze Wolle hatten, aber es
wurden keinerlei Weiterverarbeitungen irgendwelcher Art vorgenommen, wie z.B. einfache erste Gerb-Prozesse.

Die Kunden meines Großvaters und Vaters waren überwiegend Gerbereien, Lederfabriken und Kürschnereien in Süddeutschland, Österreich, Schweiz, Tschechei, auf dem Balkan, in Skandinavien sowie in Polen und Russland.

Dieses traditionelle Geschäft funktionierte von 1909 bis Anfang der Sechzigerjahre im Grunde problemlos.

Der Umbruch

Durch die nach dem Ende des zweiten Weltkriegs sehr schnell und sehr stark anwachsende Technik im Reisen und in der Kommunikation war aber Anfang der Sechzigerjahre ein Umbruch sowohl in unserer kleinen Branche als auch im gesamten deutschen Import zu erkennen.

Die Telegramme wurden vom Telex abgelöst, die Telefonate nach Übersee wurden einfacher und preiswerter, die Reisen in alle Teile der Welt kostengünstiger und schneller und in vielen Betrieben unserer Kundschaft kamen junge Menschen in Positionen, in denen sie mitreden konnten und wollten.

Die Tendenz war klar: die Position des klassischen Rohwaren-Importeurs sollte möglichst schnell und gründlich von den produzierenden Fabriken selber ausgefüllt und durchgeführt werden.

Meine Familie sah diese Entwicklung und ich wurde somit als erster der nächsten Generation entsprechend ausgebildet.

Die Ausbildung

Es gab in Hamburg seinerzeit 5 Importeure für das Fachgebiet Leder und Häute.
Schließlich haben Schuhe, Lederbekleidung, Möbelleder und technisches Leder einen sehr großen Abnehmerkreis – aber keiner dieser 5 Firmen wollte den Sohn des Mitbewerbers als Lehrling bei sich ausbilden.
Und die Ausbildung im eigenen Betrieb wurde prinzipiell nicht gemacht, man wollte keine Fachidioten heranzüchten.
Also lernte ich 3 Jahre bei einem renommierten Hamburger Woll-Importeur und dort alle Warenkunde und Feinheiten des internationalen Wollhandels.
Dann arbeitete ich 2 Jahre in einer großen Gerberei und lernte die Grundlagen der Leder- und Pelzgerbung.

ARGENTINIEN

Mit diesem Wissen wurde ich anschließend für einige Jahre nach Südamerika geschickt, um Waren, Sprache, Land und Leute kennenzulernen.

Ich spezialisierte mich auf Grund meiner deutschen Ausbildung im Bereich Wolle auf Schaf- und Lammfelle in Argentinien, Uruguay und Brasilien, lernte und arbeitete in Schlachthöfen und auf Estancias, reiste in Südamerika zwischen Feuerland und dem oberen Amazonas hin und her.

Ich lernte Spanisch und Portugiesisch und nebenbei in Chile noch meine Frau kennen und hatte während dieser Zeit in Argentinien die ersten Erfahrungen mit dem seinerzeit am Ende der Sechzigerjahre noch fast unbekannten Joint-Venture.

Joint Venture auf südamerikanischem

Die Ausgangslage war ganz einfach:

Große Kunden von uns wollten nicht nur die für sie nötige Rohware am liebsten selber in jeder Estancia einkaufen, sondern auch noch gleich an Ort und Stelle zu weichem und besten Leder oder Lammfelljacken verarbeiten.

Dazu brauchten sie Menschen, die vom Bayerischen ins Spanische hin und zurück übersetzen konnten, die über technisches Wissen verfügten, um ihre Rezepturen an Ort und Stelle umzusetzen, ohne dass sie für lange Zeit eigene teure Leute in die Pampa schicken mussten und schließlich noch jemanden, der das dabei verdiente Geld, möglichst schwarz, noch gleich einsammelt und irgendwo hin transferiert.

Soweit die Interessenlage unserer schwer begeisterten und damit wohl auch ehemaligen Kunden.

Man wollte natürlich die große Gewinnspanne des bisherigen Aufkäufers Henckell zum eigenen Vorteil ausnutzen und statt für 6 Dollar bei Henckell jetzt sicherlich nur für 2 oder 3 Dollar das Lammfell direkt einkaufen.

Und die Weiterverarbeitung in einer neu von den Südamerikanern zu errichtenden Gerberei würde mit Sicherheit weitere 10 Dollar extra im Fertigprodukt bringen.

Die Interessenlage der südamerikanischen Partner in spe in Argentinien, Uruguay und Brasilien war ungefähr so:

Man war begeistert, den großen Profit, den sie dem bisherigen Käufer Henckell & Co zuordneten, nunmehr selber einstreichen zu können.
Also, wenn Henckell bisher 5 Dollar für ein Fell gezahlt hat und dies wohl mit 8 Dollar verkauft hatte, freute man sich, dass man es jetzt mit 7,5 Dollar wohl direkt selber an die Lederfabrik verkaufen könnte.

Die Vorstellung, das Produkt zusätzlich noch im eigenen Land und damit mit großer Sicherheit im neuen eigenen Betrieb zu veredeln und industriell zu fertigen, begeisterte noch mehr, gab es doch hier noch ungeahnte weitere Verdienstmöglichkeiten.

Die Gringos sollten so schnell wie möglich mit ihrem Geld die Fabriken bauen, ihre Leute schicken und alle Einheimischen schön schnell und gründlich einarbeiten.
Nach kurzer Zeit würde man dann über ein komplettes Knowhow verfügen.
Man wird selber Produzent Vamos Weltmarkt, wir kommen.

Das einzige Manko war, dass man offensichtlich über diese leicht abweichenden Geschäftsmodelle nicht genügend vorher kommunizierte.

Die Pampa-Joint Venture

Ich lebte in Buenos Aires, war Mitte zwanzig und notgedrungen der einzige, dem beide Seiten des öfteren ihr Herz ausschütteten, nachdem sie vorher ordentlich dem schönen Steak, dem noch besseren Rotwein und den jungen Damen zugetan waren, die auch in Südamerika an solchen Abenden jede Stunde in den Augen Ihrer Betrachter immer hübscher wurden.

Es wurden tatsächlich in der Zeit, in der ich in Südamerika arbeitete, 3 oder 4 solche Joint Venture geschlossen, und das Ergebnis war an sich immer dasselbe- eine Katastrophe im Quadrat.

Die europäische Seite schickte Geld und Techniker, die Südamerikaner hatten aber einfach nicht das richtige Feeling, um die meistens sehr komplizierten Rezepturen einzuhalten.

Um ein rohes Lammfell zu gerben und die Wolle zu färben, braucht man ca. 5 Tage und über 40 verschiedene Behandlungsprozesse.
Wenn auch nur ein einziger solcher Verfahrens-Prozesse nicht richtig durchgeführt wird, passiert das, was einem Koch passiert, dessen Weihnachtsgans statt 3 eben mal 10 Stunden im Ofen schmort, weil man schlicht vergessen hatte, den Ofen rechtzeitig auszustellen.

Ich habe noch nie so viele Ausreden und Entschuldigungen auf einen Haufen gehört wie in den Monaten, in denen ich 3 dieser ersten Joint Ventures begleitete.

Meine Firma sollte – damit ich überhaupt von den Kunden und den Südamerikanern eingesetzte werden konnte und weil man ja im Prinzip auch auf den bisherigen Dienst der Firma Henckell & Co verzichten wollte – aus den ganzen JV-Operationen eine feste Umsatz-Provision für die nächsten 5 oder 10 Jahre bekommen.

Wäre ich auf diese Provision für meinen Lebensunterhalt in Südamerika angewiesen, wäre ich stilvoll nach 3 Wochen verhungert.

Die erste Erfahrung mit Joint Ventures war gemacht, ich buchte sie ab in der Schublade „Unvergesslich, unverkäuflich“.

Der Neuanfang

Ich beendete meine Zeit in Südamerika Anfang der siebziger Jahre.
Ich reiste danach noch jedes weitere Jahr 3 – 4 mal nach Brasilien, Argentinien, Bolivien etc., um Rohware zu übernehmen – auch für unsere pampageschädigten europäischen Gerbereikunden.

aber einen Versuch, diese Rohwaren dort irgendwo in Südamerika in irgendeiner Form selber weiter zu veredeln, habe ich nach den Erfahrungen einer deutsch-argentinischen Joint-Venture-Partnerschaft nie mehr ins Auge gefasst.

Die Kunden hatten aus ihren südamerikanischen Erlebnissen gelernt – sie hatten die Nase voll und die Taschen leer.

Man kaufte weiter die Rohware bei Henckell & Co und den übrigen Häuten und Lederimporteuren in Hamburg und Bremen und hatte in den siebziger Jahren insgesamt ein geschäftlich recht gutes Jahrzehnt.

CHINA

Einführung

China war und ist das größte Leder- und Fellerzeugende Land der Welt.

Das war bereits seit Jahrhunderten so.
Die bäuerliche Struktur des gesamten Landes ermöglichte es, dass zu jeder Zeit und an jedem Ort Rohwaren gesammelt, klassifiziert und in die Welt exportiert wurden.

Meine Familie hatte neben Südamerika von Anfang an gute Geschäftsbeziehungen mit China.

Über die Einzelheiten der Geschäfte in den Jahren 1910 – 1950 weiß ich nicht viel.
Mir wurde gesagt, dass aufgrund der guten Verbindungen mit China sowohl im ersten als auch im zweiten Weltkrieg die Firma Henckell immer genug Rohmaterialien aus Ostasien bekam, um damit überleben zu können.
Denn die klassischen Bezugsländer Australien, Neuseeland, Südamerika und Südafrika waren ja bekanntlich im ersten Weltkrieg teilweise und im zweiten Weltkrieg praktisch total unter wirtschaftlicher und politischer Hoheit der Alliierten, insbesonders des englischen Commonwealth und somit gab es von dort her während der gesamten Kriegsjahre überhaupt keine Rohwaren mehr für deutsche Importeure.

Wir hatten bereits in den Fünfzigerjahren eine Niederlassung in Hongkong, die später nach Macao auf die andere Seite des Pearl-Fluss umzog, was für mich persönlich kein Problem darstellte, da ich recht gut portugiesisch sprach.

Was sicherlich auch kaum einer weiß: China ist der größte Pelz-Produzent der Welt.
Es werden jährlich mehr Pelzfelle in den Weltmarkt geliefert als von den bekannten Pelzfell-Nationen Kanada oder Russland.

Der gesamte Norden und große Teile Zentralchinas sind bergige, karge und im Winter klirrend kalte Gebiete.
Die dort lebenden sehr verschiedenen Tierarten haben sich im Laufe der Jahrtausende klimabedingt einen dichten und gut wärmenden Pelz zugelegt und die Millionen Bauern in diesen Gebieten sorgen bis heute dafür, dass immer nur ein kleiner Teil davon erlegt und vermarktet wird- genug, um all die Arten zu erhalten und genug, um zehntausenden von kleinen Familien ein Zubrot zu ermöglichen.

Auf dem Ledersektor ist China ebenfalls weltweit führend – es werden auf den Bauernhöfen in China mehr Schweine und Ziegen gehalten als auf der gesamten restlichen Welt zusammen.

Die riesigen, kargen und oftmals relativ hoch gelegenen Gebiete im Westen, in Zentralchina und im Norden bis hin zur Mandschurei und Mongolei sind die Heimat von Millionen von Ziegen.

Ziegen können dort noch überleben, wo Rinder und Schafe schon lange nichts mehr zu fressen finden.
Ziegen sind äußerst beweglich und die meisten Ziegenherden in China sind Wanderherden, die im Laufe der Jahre sehr große Entfernungen zurücklegen, ähnlich wie die großen Lama- und Alpaka-Herden auf dem südamerikanischen Altiplano in Peru und Bolivien.

Je mehr ein Tier sich im Leben bewegen muss, um zu überleben, desto dünner und geschmeidiger entwickelt sich die Haut eines solchen Tieres.

Das hat im Ergebnis dazu geführt, dass die chinesischen Ziegenleder zu den begehrtesten Ledern der Welt gehören.
Damenschuhe und Damenlederjacken und Lederkostüme sollten so leicht und geschmeidig wie möglich sein – sie alle sind von bester Qualität, wenn sie aus chinesischen Ziegenledern gearbeitet sind.

Es gab also von der Versorgung her immer genügend Rohwaren aus China für den gesamten Weltmarkt.

Der Markt in China

Wie aber war dieser Markt strukturiert und organisiert?

Ich selber war die ersten 10 Jahre wie berichtet überwiegend in Südamerika und hatte keine Ahnung von der Wichtigkeit und der Struktur des chinesischen Marktes.

Mein Großvater und mein Vater ließen die gesamte Beschaffung nach guter traditioneller Kaufmannsart durch die Experten vor Ort – also durch unsere Niederlassung in Hongkong und Macao – durchführen.

Man hatte täglichen Telegramm-Verkehr mit unseren dortigen Mitarbeitern, aber wusste im Grunde auch nicht viel über die speziellen Eigenschaften des chinesischen Marktes.

Es genügte voll und ganz, dass die Chinesen in dem Ruf standen, die besten, schwierigsten aber auch ehrlichsten und treuesten kaufmännischen Partner zu sein – und die diesem Ruf in jedem täglichen Geschäft gerecht wurden.

Die Strukturen

Am 1.10.1948 gründete Mao die Chinesische Volksrepublik.
Von da ab wurde der gesamte Außenhandel wie in allen anderen kommunistischen Ländern komplett zentral gelenkt.

Es gab einige riesige Export-Behörden in Beijing, die den gesamten Außenhandel abwickelten.

2 mal im Jahr gab es – ähnlich der Leipziger Messe in der DDR- in China eine Exportmesse.
Zu dieser Frühjahrs- und Herbstmesse wurden Einkäufer aus der ganzen Welt eingeladen und man saß in Canton in Südchina 2 Wochen in Hotelzimmern herum und handelte mit den Mitarbeitern irgendwelcher staatlicher Exportbehörden die Lieferverträge aus.

Es gab keine Waren zu besichtigen, keine Fabrikdirektoren, mit denen irgendeine technische oder produktionsbezogene Diskussion geführt werden konnte.

Die Exportbehörden-Mitarbeiter hatten ihr kleines Buch, in welches sie die Waren eingetragen hatten, die sie verkaufen wollten – und es wurde verhandelt, bis alle dort eingetragenen Partien verkauft waren.

Es war tatsächlich ein bisschen wie der Handel am Sonntagmorgen auf dem Hamburger Fischmarkt, bis 10 Uhr morgens ist Markt und bis dahin wird verkauft, zum Schluss eben billiger, Hauptsache es ging alles weg.

Unsere Einkäufer kehrten dann mit 20 oder 30 kleineren und größeren Verträgen zurück nach Hongkong und Macao, die Chinesen kehrten nach Beijing zurück und in den nächsten 6 Monaten wurden die Verträge abgewickelt – schließlich nach 6 Monaten begann das Spiel von neuem.

Der Umbruch

1966 – 1976 war die große Kulturrevolution in China.

Im Prinzip sollten alle alles lernen – die Lehrer und Beamten sollten die Feldarbeit kennenlernen, die Bauern die Universitäten besuchen, Beamte sollten lernen, wie man Stahl kocht, Taxifahrer sollten den Pilotenschein machen und am liebsten sollten im Rahmen der totalen Gleichheit von Staat und Gesellschaft die Männer noch die Kinder bekommen.

Das Chaos war perfekt und dauerte 10 Jahre.

Auch hier habe ich persönlich nicht viel davon mitbekommen, aber auch diese Jahre sollten in der Konsequenz ein wichtiger Baustein in meiner späteren China-Entwicklung werden.

1976 war die Kulturrevolution zu Ende:
1977 begann in vielen Teilen Chinas das schwierige Aufräumen der größten Fehler aus dieser Zeit und 1978 wurde ein Neuanfang gewagt.

Da wir – besser gesagt unsere Leute aus Hongkong und Macao – auch in den Wirren der Jahre der Kulturrevolution immer treu zu jeder Messe nach Kanton fuhren, erhielten wir plötzlich im Frühjahr 1978 in Hamburg eine Einladung aus Peking – man wollte mit uns direkt in Peking über einen geschäftlichen Gedankenaustausch reden.

Wir besprachen diese Einladung mit unseren Leuten in Hongkong und Macao. Sie hatten keine Einladung erhalten, es war also etwas Besonderes.

Ich war 33 Jahre und damit altersmäßig gerade an der untersten Grenze, um als Gesprächspartner von den Chinesen akzeptiert zu werden – das Alter wird auch heute noch in China sehr geschätzt.

Nach 130 Reisen nach Südamerika nun also die erste Reise nach China.

Alle Gesprächspartner auf der chinesischen Seite waren erwartungsgemäß ältere Damen und Herren ab Mitte 50.
Keiner sprach ein Wort Englisch. Aber wir hatten Glück, und es wurde uns eine der ganz wenigen Damen als Übersetzerin zur Verfügung gestellt, welche selber nicht nur Englisch studiert hatte, sondern auch bereits viele Jahre in einem staatlichen Import-Exportbüro in der Abteilung „Byproducts“ gearbeitet hatte und somit über ein gutes Fachwissen verfügte.

Mit dieser Dame, ihrer Familie und ihren Kindern verbindet mich noch heute eine tiefe und ehrliche Freundschaft.

Zur Sache – mir wurde die Situation offen erklärt:

Es gab in ganz China über 4.000 Betriebe, die sich mit der Produktion von Leder und Fellen aller Art beschäftigten.
Alle Betriebe waren bis zu diesem Moment den staatlichen Behörden untergeordnet.

Im Klartext: wenn ein Mitarbeiter einer staatlichen Exportbehörde in Canton auf der Messe eine Partie von sagen wir 20.000 Ziegenfellen an einen Käufer aus dem Westen verkaufte, war es gleichzeitig Aufgabe dieses Mitarbeiters der Exportbehörde, sich einige Fabriken auszusuchen, die die Ware für diesen Kontrakt sammeln und produzieren mussten.

Die Fabriken selber hatten überhaupt keinen Einfluss darauf, was sie selber produzieren sollten- alles wurde von oben bestimmt, eingeteilt und überwacht.

Das technische Knowhow fast aller Fabriken war im Vergleich zu europäischen Fabriken total veraltet, man hatte seit Jahrzehnten keine neuen Maschinen, Chemikalien oder sonstige Produktionsmittel importieren können, und somit beschränkte sich bis zu diesem Moment die Hauptaufgabe vieler Fabriken darauf, auf den ländlichen Märkten das Rohmaterial aufzukaufen und zu sortieren.

Gegebenenfalls noch ein bisschen zu säubern, zu klassifizieren und in exportgerechte Einheiten zusammenzustellen, um diese Partien dann per Bahn an die Küstenstädte zu bringen, von wo aus die Waren dann nach Übersee verladen wurden.

Die neuen Ideen

Das alles sollte sich jetzt nach Aussage unserer chinesischen Gesprächspartner schnellstmöglich und grundlegend ändern.

China hat 23 Provinzen.
Jede Provinz für sich ist oftmals doppelt so groß in Fläche und Bevölkerung wie Deutschland und mehrere andere europäische Staaten zusammen.

Bisher hatten alle 23 Provinzen nur für die zentralen staatlichen Behörden produziert – jetzt sollten von heute auf morgen die ersten 12 Provinzen selbständig exportieren dürfen und im Laufe der nächsten Jahre sollte jede Provinz schlussendlich für sich selber arbeiten können.

Die erfahrenen chinesischen Leiter der Zentralen Behörden befürchteten ein Chaos.

Man erklärte mir:

– Fast keine Provinz-Leitung hatte englischsprechende Mitarbeiter.
Niemand sei je im Ausland gewesen, um sich über den Weltmarkt zu informieren.
– Selbst nach Kanton zu den Messen seien nur die allerwenigsten je mitgenommen worden.

Die traditionell sehr korrekte Sortierung der einzelnen Rohwaren wurde in den Hafenstädten China kontrolliert, dort seien in Tianjin, Shanghai, Dalian und Tsingtau die Fachleute, die genau wissen, wie eine korrekte und vertragsgemäße Ware aussehe.

Wenn jetzt dieses neue Vertriebs-System frei nach dem Motto: „jede Provinz exportiert selber“ eingeführt wird, würden nach Auskunft unserer chinesischen Gesprächspartner 2 Dinge gleichzeitig passieren:

Zum Ersten:
Die Provinzen liefern übertrieben gesagt Jacken und Mäntel mit 1 oder 3 Ärmeln ab, weil niemand in der Lage sei, europäische Schnittmuster zu lesen und man dann einfach das macht, was man glaubt auf den Vorlagen erkenne zu können – vielleicht haben große Teile der Europäer ja auch 1 oder 3 Arme..

Zum zweiten:
Die traditionellen großen Fabriken in den 5 Exporthafenstädten in China haben innerhalb von wenigen Monaten keine Rohwaren aus den innerchinesischen Provinzen mehr, können ihre Verträge nicht mehr erfüllen und der Ruf der chinesischen Vertragstreue wird innerhalb kürzester Zeit ruiniert.

Das alles erschien mir logisch, nur wusste ich nicht, was ich selber persönlich damit zu tun haben sollte.

Für mich war die Konsequenz aus diesen Erklärungen:
Natürlich würde in so einem Szenarium durch das absehbare Chaos in China auch die Vertragstreue der Firma Henckell bei Ihrer Kundschaft leiden, egal, ob man alles den Kunden erklärt oder nicht.

Aber die Kundschaft würde weiter kaufen, denn:

Wenn die Ware von uns nicht vertragsgemäß geliefert sein sollte, wird eben reklamiert – da die Zahlung aller Waren bei unserer Kundschaft in Europa immer erst nach vielen Monaten erfolgte ( wenn die Gerbereien, an die wir lieferten, die bei uns gekauften Rohwaren zum Beispiel zu Lederjacken verarbeitet hatten, die Fertigware verkauft und ausgeliefert war, und wenn dann die Lederjacken-Kunden diese Jacken an die Gerbereien bezahlt hatten), dann erst bekamen wir als Importeur und Finanzier der Rohwaren unser Geld – somit war es kein Risiko für unsere Kundschaft, man reklamierte eben und verweigerte oder reduzierte eigenmächtig die Zahlung für die von uns gelieferten Rohwaren.

Das alles wussten die erfahrenen Chinesen natürlich auch.

Die neue Idee

Sie hatten sich gut vorbereitet und unterbreiteten folgenden Vorschlag:

Man erwarte, dass in absehbarer Zeit nicht nur die einzelnen Provinzen selber exportieren dürfen, sondern dass sich in Kürze auch die Fabriken selber aussuchen könnten, für wen und was man im eigenen Betrieb produzieren wird.

Wenn das eintritt, wird sich der Handelsablauf komplett verändern.

Die Verträge werden dann direkt zwischen den innerchinesischen Produktionsbetrieben und den ausländischen Kunden abgeschlossen, die bisherige Monopolstellung der staatlichen Import- und Exportbehörden beschränkt sich auf die Durchführung des Transportes, die Bankabwicklung und die Erstellung exportgerechter Dokumente.

Im Prinzip werden die staatlichen Stellen dann Makler zwischen Fabrik und ausländischen Käufern.

Wobei sie auf Grund ihrer speziellen Kenntnisse des innerchinesischen Marktes in dieser Funktion sicherlich noch auf Jahre hin eine Existenzberechtigung haben würden.

Und dann kamen sie zum Kern:

Ich, Thewes Henckell, sollte als erster Europäer, Familienmitglied eines langjährigen Geschäftspartners und Experte für Leder, Pelz und Gerbereitechnik, zum ersten Mal die wichtigsten Produktionsbetriebe persönlich besuchen.

Dieser Plan war total überraschend und sprengte alle Ketten des bisherigen Export-Systems in unserer Branche und ich fühle mich nach 4 Tagen intensiver Verhandlungen geehrt und überfordert.

Es wurde abschließend vereinbart, dass wir uns in Hamburg beraten.

Sollten wir den Vorschlägen der Chinesen im Prinzip zustimmen, würde eine erste Reise zu den innerchinesischen Fabriken schon bei einem nächsten Besuch erfolgen.

In Hamburg berieten wir zusammen mit unseren Mitarbeitern in Hongkong und Macao diese neue Situation.
Da wir im Endeffekt keine anderen Alternativen hatten, stimmten wir zu und schon 2 Monate später war ich wieder in China.

Der Neuanfang

Es sollte dies für mich der Anfang einer persönlichen Zusammenarbeit mit vielen chinesischen Fabriken und Direktoren sein.
Es folgten hieraus in den nächsten 20 Jahren über 160 Reisen von Deutschland in alle Regionen und Provinzen Chinas.
Ich habe bei einer durchschnittlichen Reisedauer von vielleicht 10 Tagen pro Reise auf diese Art und Weise über 4 Jahre meines Lebens in China verbracht.

Südamerika und China zusammen waren für mich, meine Familie und auch für die Geschäftsentwicklung der Firma nicht möglich – dazu waren wir als Organisation zu klein, die Entfernungen zu groß und der entsprechende ständige persönliche Arbeitseinsatz zu intensiv.

Gleichzeitig erklärten mir meine inzwischen 16 und 18 Jahre alten Kinder sowie andere jüngere Mitglieder meiner weiteren Familie, dass sie das Geldverdienen mit Pelzfellen nicht mehr gut finden würden.

Wir akzeptierten diese Grundeinstellung und beschlossen, nur noch Felle von Tieren zu kaufen, zu bearbeiten und zu veredeln, die auf dem Bauernhof aufwachsen und damit zum natürlichen und gewachsenen bäuerlichen Lebenskreis gehörten.

Es sollte weiterhin der Schwerpunkt auf Lammfell und Leder gelegt werden.

Hier hatte ich das größte Spezialwissen und erhoffte mir hiervon eine Nischenfunktion, die uns in den sich immer schneller global entwickelnden Märkten auch in absehbarer Zukunft ein Überleben in der Nische ermöglichen könnte.

China von innen

In den nächsten 2-3 Jahren lernte ich China kennen wie kaum ein Europäer in dieser Zeit.

Es stellte sich heraus, dass die große Mehrzahl der für uns in Frage kommenden Fabriken – Gerbereien, Konfektionsbetriebe und Lederkombinate – im Norden Chinas lag, und zwar in seinerzeit ganz strikt für alle Ausländer verbotenen nördlichen Provinzen.

Ein Blick auf die Karte zeigt, dass sich nördlich von Peking in 200-300 Kilometern Abstand eine lange Gebirgskette in ost-westlicher Richtung erstreckt.
Gleichzeitig war diese Gebirgskette auch genau das Gebiet, wo vor zweitausend Jahren bereits die Chinesische Mauer gebaut wurde.

Auch hier liegt die Erklärung in der Geschichte:
Die Chinesen waren Jahrtausende lang ein friedliches und überwiegend bäuerlich orientiertes Volk.

Es hat in der gesamten Geschichte vor 1949 keinerlei chinesische Expansion, Übergriffe auf fremde Nachbarvölker oder Eroberungszüge nach anderen südostasiatischen Ländern gegeben.

Sie sind schlechte Reiter und noch lausigere Seefahrer.
Noch heute kommen Schiffe der chinesischen Staatsredereien mit tagelanger Verspätung in Europa oder Amerika an, wenn es unterwegs schlechtes Wetter gegeben hat.
Die Chinesen fahren dann gerne sofort in den nächstbesten Hafen und warten bis sich der Sturm gelegt hat.

Die Chinesische Mauer war eine Schutzmauer vor dem nördlichen Nachbarvolk, den Mongolen.
Diese riesige Schutzmauer hat sie auch tatsächlich vor vielen Übergriffen der aggressiven Reitervölker der Mongolen beschützt.

Und seit 1960 war dieser Gebirgsrücken jetzt der militärische Schutzwall gegen die Russen, mit denen die chinesische Regierung in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in kriegsähnlichem Streit lag.

Es gab inzwischen in diesem Gebirge, auf einer Länge von knapp 1000 Kilometern, überall militärische Anlagen, Raketen und sonstige Abfangstationen, die höchster militärischer Geheimhaltung unterlagen.

Noch bis Mitte der 90er Jahre- als man sich als Europäer schon praktisch frei und unkontrolliert überall in Süd- und Zentralchina bewegen konnte- waren einige Gebiete in diesem Gebirge für alle Fremden und auch die meisten Chinesen selber gesperrt.

Weshalb waren nun die 10 größten und am besten eingerichteten Fabriken ausgerechnet in diesem gebirgigen Sperrgebiet?

Auch das ist von der Geschichte her klar zu beantworten.

Der nördliche Nachbar Chinas ist die Mongolei.

Das Wort Mongolei bedeutet in der Übersetzung ins Chinesische einfach so etwas wie „Grassland“.
Denn nördlich dieses Gebirges erstreckt sich auf tausenden von Kilometern die mongolische Graslandschaft.

Hier weideten Millionen von Schafen und Pferden, daneben hatten die mongolischen Nomaden einen großen sonstigen Tierbestand in ihren Juchten.

Der größte Absatzmarkt für die gesamten Tierprodukte war für die Mongolen China, dem südlichen Nachbarn.

Dazu mussten sie ihre Viehherden aber zu den Chinesen bringen, und das bedeutet, sie mussten das Gebirge überqueren.

Im Prinzip war es vergleichbar mit den Völkern Europas, die Ware über die Alpen oder die Pyrenäen bringen wollten- man musste ein sehr hohes Gebirge überqueren und hatte dabei nur ganz wenige einigermaßen leicht zu passierende Übergänge.

Während dieser beschwerlichen Reise starben regelmäßig tausende von Tieren an den Strapazen – aber das Fleisch, die Felle und die Nebenprodukte dieser Tiere sollten trotzdem noch etwas Erlös bringen – deshalb bildeten sich im Laufe der Jahrhunderte an den wenigen Übergängen dieses Gebirges ganz spezielle Betriebe – eben Gerbereien, die die Felle und Häute sofort verarbeiteten, Spinnereien, die die Wolle an Ort und Stelle versponnen und Betriebe, die aus allen Arten der tierischen Produkte etwas für die Menschen anfertigten.

Die größte Gerberei Chinas liegt in diesem gebirgigen Grenzgebiet.
Sie heißt noch heute übersetzt aus dem chinesischen „Mutter-Gerberei 2“.

Die Chinesen haben ein Faible für Zahlen, und diese Fabrik wurde mir offiziell als „Lederfabrik Nr. 1“ vorgestellt – hier lernen, im Rahmen ihrer Ausbildung, auch heute noch die Fachleute fast aller anderen größeren chinesischen Betriebe die Grundzüge der Woll- und Lederverarbeitung.

Von Peking aus waren es nur 250 Kilometer dorthin, aber die Bahn brauchte all die Jahre immer 6 Stunden, um langsam in dieses Gebiet hoch zu schnaufen.

Ich hatte bei jeder Reise dorthin Begleitung des militärischen Geheimdienstes, der Pass wurde abgenommen und in dem Ort selber habe ich im Hotel gefroren wie sonst nirgendwo in China – trotzdem war das Vertrauensverhältnis mit dieser Fabrik der Anfang einer sehr intensiven und erfolgreichen Zusammenarbeit mit den wichtigsten chinesischen Fabriken.

Umstellung und Neuanfang

Nach 2 Jahren des Kennlernens dieser neuen Welt und vielleicht 10 Besuchen in den Jahren 1979 und 1980 begann der nächste Abschnitt- diesmal nicht von chinesischer Seite sondern von mir selber durchdacht, vorbereitet und schlussendlich auch durchgeführt.

Wir hatten uns in Hamburg in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre auf die Beschaffung von rohen Schaf- und Lammfellen spezialisiert.

Diese gab es in den klassischen Erzeugerländern Australien, Neuseeland, Südafrika und Südamerika.

Es waren fast überall Farmen, die von den Engländern in der Mitte des 18 Jahrhunderts gegründet wurden, als man in England anfing die Tuchindustrie zu industrialisieren und in den Gegenden von Leeds und Bradfort die ersten gewaltigen mechanischen Spinnereien, Wollwäschereien, Kammgarnfabriken und Tuchfabriken entstanden.

Am geeignetsten hierfür war das sogenannte Merino-Lamm und Merino-Schaf, es wurde schon im vorigen Jahrhundert auf immer bessere und feinere Wolle gezüchtet.

Als in England kein weiteres Weideland mehr dafür vorhanden war, suchten die Schafzüchter Gegenden in der Welt, wo sie riesige Herden aufbauen und züchten konnten, und sie wurden in dem klimatisch in etwa gleichen Gürtel auf der südlichen Erdhälfte fündig.

Australien, Neuseeland, Südafrika, Argentinien und Uruguay liegen alle auf dem gleichen schmalen Breitengrad. Dort herrschen sehr ähnliche klimatische Verhältnisse, und so konnten dort innerhalb weniger Jahrzehnte riesige Lamm- und Schafherden herangezüchtet werden.

Heute gibt es alleine in Australien 130 Millionen Merino-Lämmer, in Südafrika 55 Millionen und in Südamerika über 30 Millionen dieser Rasse.
Die Wolle dieser Merino-Schafe ist inzwischen perfekt auf den Bedarf der weltweiten Textil-Industrie angepasst.
Die Tiere werden 6-7 Jahre alt, alle 6 Monate geschoren und alle Farmer leben praktisch ausschließlich vom Erlös der Wolle.
Das Fleisch und die sonstigen Teile dieser Tiere haben für die Farmer und Schlachthäuser nur einen Nebeneffekt, über 80% des Erlöses bringt die Wolle.

Ich war in dieser Zeit neben meinen Besuchen in China auch sehr oft in Australien und Südafrika, um Lammfelle dort auf den Schlachthöfen zu kaufen oder um große Partien, die ich vorher per Kontrakt gekauft hatte, dann persönlich Stück für Stück zu übernehmen – nur so konnte man einigermaßen sicher sein, dass die Qualität später für unsere europäischen Kunden in Ordnung war.

Und jetzt war es ganz einfach, den richtigen Schluss zu ziehen:

China hatte eine sehr gute Infrastruktur von sauber und zuverlässig arbeitenden Produktionsbetrieben.

China hatte aber eine für den Weltmarkt völlig veraltete und im Grunde wertlose eigene Lammfell-Produktion.
Die Tiere hatten eine harte, ungepflegte Wolle, die höchstens noch für chinesische Militärmäntel zu gebrauchen war – für den internationalen Markt aber war diese chinesische Rohware schlicht ungeeignet.

Australien, Südafrika und Südamerika hatten die beste und hochwertigste Rohware.
Aber keine eigene verarbeitende Industrie.
Man exportiert die Rohware nach Italien, Spanien, Nordeuropa und etwas in die USA.

Dort wurde unter großem Arbeitsaufwand und mit sehr kostspieligen Mitteln der äußert komplizierte Vorgang des Gerbens, Färbens und der Weiterverarbeitung der Wollseite und der Lederseite der Lammfelle vorgenommen.

Nur das Gerben und Färben eines normalen Merino-Lammfells kostete mit ca. 8 Dollar überall mehr als die Rohwaren, – die Rohfelle kosteten je nach Wolle zwischen 4 und 5 Dollar.

Was lag also näher, als die vorhandene und mir jetzt sehr vertraute Fabrikations-Kapazität in Nord- und Zentralchina mit den besten Rohwaren der Welt zu verbinden?

Man müsste nur die Rohware statt nach Europa oder Nordamerika gleich nach China schicken, dort verarbeiten und dann als Halbfertig- oder Fertigprodukt nach Europa verkaufen.

Es haperte wie immer am Detail.
Und hier gab es 2 Gründe:

Die Chinesen hatten keine Ahnung vom Weltmarkt.
Und die Fabriken hatten überhaupt kein Geld, um so eine Rohware in Australien zu kaufen.

Da ich nach den vielen Besuchen von der Durchführbarkeit meiner Idee überzeugt war, organisierte ich in den nächsten 2-3 Jahren die ersten Reisen mit verschiedenen chinesischen Delegationen nach Australien.

Mit dabei waren immer einige Direktoren der Fabriken, ein Mitarbeiter des Import-Export-Ministeriums und ein Mitarbeiter des Geheimdienstes, der verantwortlich war, dass auch alle brav wieder nach China zurückkehrten.

Es wurden Probepartien gekauft und verarbeitet.
Es wurden die ersten größeren Partien gekauft- und es funktionierte.

Allerdings nur, weil wir als Firma Henckell die gesamte Organisation leiteten, und das heißt im Klartext auch, weil wir diese neue Beschaffung und Produktion komplett finanzierten.

Die Lohnveredlung in China

Es entstand also in recht kurzer Zeit ein weltweiter Lohnveredlungsprozess.

Ich kaufte zusammen mit den Chinesen die Rohware in Australien, Südafrika und Südamerika.

Die Chinesen schickten Übernehmer in die Schlachthöfe, um die Ware zu übernehmen und die Verladung nach China zu überwachen.

Wir in Hamburg kauften und bezahlten die gesamte Rohware.

In China wurden Verträge gemacht, was, wann in welcher Form, aus diesen Fellen produziert werden sollte.

Wir schickten oftmals alle Arten von Zubehör von Europa aus in die Fabriken:
von Farbstoffen über Ersatzmotoren bis hin zu Knöpfen und Reissverschlüssen, um das Fertigprodukt korrekt für den europäischen Markt zu produzieren.

Dieser Lohnveredlungsprozess war für die Chinesen importsteuerfrei – allerdings nur wenn die importierte Rohware aus Australien und den anderen Ländern auch innerhalb von 6 Monaten wieder als Fertigprodukt das Land verliess, sonst gab es Strafzölle von 60% des Rohwaren-Wertes.

Mit diesem extrem hohen Zollsatz wollte die chinesische Regierung verhindern, dass sich chinesische Fabriken selber am Weltmarkt eindeckten und damit die innerchinesischen Rohwaren keinen Absatz mehr finden würden.

Es klappte – abgesehen von den natürlichen täglichen kleineren und größeren Problemen- alles in etwa so, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Die neue Kundschaft

In Europa verloren wir naturgemäß einen größeren Teil unserer traditionellen Kundschaft, weil wir inzwischen deren Fertigprodukte selber in China herstellten – eine Entwicklung, die ebenfalls vorhersehbar, aber gleichzeitig wohl unabänderlich war.

Gleichzeitig mussten wir in Europa die Kundschaft finden, die bisher von unseren Kunden gekauft hatte- eine für mich auch völlig neue Erfahrung, denn jetzt hatten wir es nicht mehr mit kleineren und mittelständischen Fabrikanten und Familienbetrieben zu tun, sondern oftmals mit großen und international operierenden Kaufhäusern und Handelsketten.

Trotzdem machte die Arbeit Spaß, es funktionierte, und wir hatten in diesen Achtziger-Jahren geschäftlich Erfolg.

Mitte der 80er Jahre übergab mein Vater mir die Leitung der Firma, er selber war als reiner Rohwaren-Partie-Händler nie so richtig glücklich geworden mit dem im Grunde totalen Umbau der Firma, den ich nach meiner Südamerika-Erfahrungszeit jetzt seit nunmehr 7 Jahren in China ziemlich rigoros durchführte.

Das Ende der Fahnenstange

Ende der 80er Jahre gab es ein weiteres Problem, dessen Lösung mir viel, viel Kopfzerbrechen machte:

Das Volumen der China-Produktion war so groß geworden, dass wir es von Hamburg aus einfach nicht mehr finanzieren konnten.

Die Rohware musste vor Abgang aus Australien dort bezahlt werden.

Der Transport nach China plus der Transport bis die Ware bei den Fabriken war, dauerte mindestens 4 Monate.

Die Produktionszeit in China dauerte je nach Jahreszeit im Schnitt weitere 4 Monate ( damit verbunden die oftmals problematische Strom-Wasser- und Transport-Versorgung in diesen abgelegenen Gebieten in der Mandschurei und Nahe der Mongolei).

Der Rücktransport nach Europa dauerte inklusive der innerchinesischen Vorreisezeit zum Hafen, dem Warten auf den nächsten Dampfer und der eigentlichen Reise nach Hamburg nochmals mindestens 3 Monate.

Wenn die Fertigware dann endlich in Hamburg eingetroffen war- sagen wir im Juni oder Juli- musste sie noch einmal bis Oktober oder November in Hamburg lagern – es handelt sich bei Lammfellartikeln traditionell um Winterartikel, die im Kaufhaus eben im November und nicht im Mai angeboten und verkauft werden.

Also:

Rohwarenfinanzierung Mindestens 15 Monate.
und die Chinesen mussten für ihre Lohnveredlung auch sofort bezahlt werden, wenn sie die Ware abgeliefert hatten, das heißt, wenn ich in China vor Ort in der Fabrik war und alle Fertigteile-
Stück für Stück übernommen hatte und sie einpacken ließ.

In der Konsequenz:
Die Rohwaren 15 Monate und den Fertigungsanteil mindestens auch 10 Monate zu finanzieren – das war für uns selbst mit der guten finanziellen Ausstattung der Firma in Hinblick auf den immer weiter steigenden Umsatz dieser China-Produktion nicht möglich, alleine zu finanzieren.

Die Hamburger Banken gaben Finanzierung nur, wenn die Sicherheit greifbar war – sie finanzierten aber keinerlei Transit-Geschäfte von Rohwaren aus Argentinien nach China mit anschließender Auflösung der Rohwaren und Umarbeitung in irgendwelche Fertigprodukte.

Keine Bank kann dann erkennen und nachweisen, welche Lederjacke oder welcher Lammfell-Autositzbezug aus einer Rohware stammte, die sie als Hamburger Bank irgendwann einmal in Australien finanziert hatte.

Diese Gründe waren einleuchtend und bei allem guten Willen unserer Hausbanken einfach nicht zu lösen.

Unser Produktionsschema passte in keinen Bank-Computer, der das Risiko ausrechnen sollte.
Denn schon zu dieser Zeit Ende der 80er Jahre waren die Bank- und Kreditsachbearbeiter im Grunde genommen Sklaven Ihrer eigenen Banksoftware.
Die beliehen eben Großvaters Häuschen oder seinen Malereibetrieb, aber keine Warenbewegungen irgendwo in der Welt zwischen den südlichen Kontinenten und China.

Aufhören oder beenden konnten wir unsere erfolgreiche China-Produktion auch nicht.

Die Lösung

Also gab es nur eine Möglichkeit: Die Chinesen mussten mit ins Boot.

Sie hatten inzwischen genügend über den internationalen Zusammenhang unserer Produktion gelernt, waren selber oftmals mit mir in den Rohwarenländern und hatten bei einigen Besuchen in Europa auch einige unserer größten und wichtigsten Kunden kennengelernt.

Ich hatte sie immer dorthin mitgenommen, denn zum einen war das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen den chinesischen Partnern und mir uneingeschränkt, einfach und ehrlich.

Zum anderen würde keiner unserer Kunden in der Lage sein, diese Produktionskonstruktion, die ich in den vergangenen 10 Jahren aufgebaut hatte, in absehbarer Zeit zu kopieren.

Nach vielen Gesprächen in China ergab sich ein Lösungsansatz – es sollte eine Joint-Venture-Firma gegründet werden.

Das erste China-Joint-Venture

Partner würde eine Gruppe von chinesischen Firmen sein, die über genügend Kapital, Einfluss und Fähigkeiten verfügt, das, was bisher im kleinen sehr persönlichen Rahmen ablief, weiterzuführen.
Es sollten insgesamt 3 Personen aus China in die Leitung dieses Joint Venture benannt werden.

Und auf unserer Seite sollten ich und möglichst noch ein anderer Europäer in dieser Joint Venture Firma tätig sein – total 2 Personen.

Soweit ich mich erinnern kann, war die Joint-Venture-Idee zwischen China-Fabriken und ausländischen Investoren überhaupt erst Anfang 1990 zum ersten Mal in China publik gemacht worden – und wir sollten somit eines der allerersten chinesisch-deutschen Joint-Ventures durchführen.

Mangels Erfahrung und dank der ausartenden chinesischen Bürokratie wurden seitenweise Texte, Memoranden und Absichtserklärungen per Telex und auch schon per noch sehr teurem Fax hin und hergeschickt – es dauerte Monate, bis dieses erste Joint-Venture ( JV) in trocknen Tüchern war.

Auf der chinesischen Seite hatte sich als JV-Partner die „China-Organisation Nummer 5“ angemeldet – eine Dachorganisation von über 200 Fabriken, mehreren zehntausend Mitarbeitern und einem Verhandlungsstab, der bei jedem Gespräch mindestens aus 40 Leuten bestand – alle wollten jeden Abend gut essen und jeder erhoffte sich aus so einer Verbindung eine persönliche Chance, die Welt zu sehen und vielleicht auch schnell ein bisschen reich zu werden.

Es war wirklich sehr schwer, diesen chinesischen Koloss auf eine für mich tragbare und vertretbare Gruppe zu reduzieren – denn wenn wir mit so einem riesigen Partner zusammenarbeiten würden, würde nach meiner Erfahrung das eigentliche Problem – die Finanzierung eines Teils der Produktion – nie klappen.

Ich hatte den Vorteil, dass einige der wichtigsten Fabrikdirektoren unsere Firma in Hamburg kannten, und da sie ebenfalls um die Zukunft ihrer Produktion bangten, ging die Sache doch noch in die richtige Richtung.

Einige Fabriken gründeten zusammen mit dem Export-Import-Staatsbüro eine „Internationale Produktions-Gesellschaft“.

Da fanden sich dann die wichtigsten Damen und Herren wieder.

Diese Papier-Firma wiederum gründete eine „Forschungs- und Entwicklungsabteilung“, die aus vielleicht 20-30 Technikern, Chemikern und Gerberei-Leitern bestand.

Diese „Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft“ bekam ein eigenes Gebäude in Peking, wo sie tatsächlich die besten und neuesten Labor- und Forschungsmaschinen aufbaute und damit arbeitete.

Und dieser kleine Ableger „Forschung-und Entwicklung“ des etwas größeren Ablegers „Internationale Produktions-Gesellschaft“ der Riesen-Gruppe „Kombinat Nr 5“ wurde dann auch tatsächlich unser erster konkreter Joint-Venture Partner. Die Chinesen gaben ihm den Namen „HUARAN“.

HUARAN

Als Leiter wurde uns ein sehr fähiger junger Chinese vorgestellt, der perfekt deutsch sprach.
Er hatte in China studiert, dann in Deutschland bei BASF und Bayer in verschiedenen Kunststoff- und Lederchemikalien-Abteilungen gearbeitet und war sowohl vom Fachlichen als auch von der Sprache und von der Kenntnis des internationalen Geschäftes der beste Chinese, den wir uns hätten vorstellen können.

Er stammte – wie wir bald merkten- aus einer sehr angesehenen chinesischen Familie und wohnte in einem militärischen Bezirk, wo nur sehr hohe und wichtige Personen eine Wohnerlaubnis bekamen.

Seine Verbindungen zu allen möglichen Ämtern und Genehmigungsbehörden waren hervorragend.

Ich bekam als Chef der deutschen Abteilung der neuen JV-Firma einen ganz speziellen „Grünen Ausweis“ – eine Art permanente Wohnerlaubnis, verbunden mit freier Arbeits- und Reisetätigkeit innerhalb ganz Chinas, und dies sogar zum seinerzeitigen chinesischen Preis – alle Chinesen reisten im Vergleich zum Ausländer grundsätzlich zum halben Preis innerhalb Chinas.

Diese neue JV-Firma fing an in Australien einzukaufen – das Geld erhielt sie von irgendwelchen Zentralbanken.

Ich habe wie jeder Ausländer keine Ahnung von den Einzelheiten der verschlungenen und geheimnisvollen Wege des innerchinesischen Bankensystems- aber es funktionierte.

Die neue JV-Firma HUARAN probierte auch neue Produkte – wir hatten dank des Technikerstabes im Haus die Möglichkeit, neue und bisher noch nicht eingesetzte Produktionsverfahren zu prüfen und einzusetzen.

Die Arbeit des ersten Joint Ventures

Die Gründung dieser JV sprach sich ganz schnell bei allen Betrieben herum, die bisher im Lohn für uns arbeiteten – man war einerseits erleichtert, dass der Fortgang der Produktion mit importierter, guter Rohware weiterging, man war aber nicht so sehr begeistert, dass jetzt eine JV-Firma zwischengeschaltet war.

Man sagte mir seitens der Betriebe, wenn es Huarans Aufgabe sei, die Produktion zu überwachen und Anweisungen zu allen Details zu geben, würde die direkte Verbindung mit Herrn Henckell etwas austrocknen.

Für uns in Hamburg war das Grundproblem gelöst, die Finanzierung der gesamten Rohware war von uns auf eine chinesische Stelle übergegangen und wir zahlten nur noch das Endprodukt, wenn es fertig produziert war.

Keine Reklamationen mehr

Ein nicht unwichtiger Nebeneffekt war ebenfalls gut gelöst:

Es gibt naturgemäß bei jeder Rohware mal Schäden oder Probleme, die auch der beste Fachmann nicht im Schlachthof erkennen kann.

Wenn dann eine solche Rohwaren-Partie in Zentral-China sich während der Produktion in Wollfetzen und Lederstückchen auflöste, weil die Konservierung irgendwo nicht richtig vorgenommen war, war eine solche Partie schnell ein Totalverlust.

Solange wir Lohnveredlung betrieben, waren wir als Eigner der Ware für alle Konsequenzen einer solchen schadhaften Rohware verantwortlich und mussten die finanziellen Konsequenzen tragen.

Die Rohwaren waren von uns bezahlt.

Der Fertigungsprozess musste bis zu dem Moment, wo sich die Ware in tausend Teile auflöste, auch noch bezahlt werden – alles unser Risiko.

Jetzt aber kauften die Chinesen selber ein und waren für die Qualität der von ihnen übernommenen Ware selber verantwortlich.
Wir kontrollierten nur noch das Fertigprodukt, und wenn dort Fehler in der Produktion ersichtlich waren, verweigerten wir ganz einfach die Übernahme – eine klare und saubere Trennung der Zuständigkeiten.

Erfahrungen

In den nächsten 3 Jahren- wir sind inzwischen in den Jahren 1990 bis 1993- lief unser JV in China mit unserem gemeinsamen Kind HUARAN im Grunde genommen aus unserer Sicht reibungslos.

Das JV war vertragsgemäß auf 10 Jahre Laufzeit unterschrieben, danach würde, falls der Vertrag nicht verlängert wird, die JV-Firma selbstständig in China und auf dem Weltmarkt operieren können.

Wir haben in diese erste JV-Gesellschaft unseren Anteil von 49% des Kapitals eingebracht, ich glaube es waren 200.000 Dollar Gründungskapital.

Wir haben nie auch nur einen Cent Rendite oder Dividende aus der JV erhalten – dafür aber einen Partner in China, der uns- und besonders mir persönlich- sehr viel in China an Arbeit abnehmen konnte.

Nach 10 Jahren ging diese Firma auch vertragsgemäß in rein chinesischen Besitz über, es wurde eine Abschlussbilanz erstellt, aus der heraus wir auch nichts bekamen, außer einem Haufen Urkunden und teilweise sehr schöne, aber auch sehr anstrengende Erinnerungen.

Ich hatte also bis dahin beide Extreme einer JV-Abwicklung erlebt, die spätkapitalistische Versuchsvariante Argentiniens und die persönlich-kommerzielle Variante in China.

Die neuen Joint-Ventures

Wie weiter?

In den nächsten Jahren versuchten wir die Anzahl der Produktionsbetriebe von teilweise 10 – 15 Betrieben auf eine Handvoll zu reduzieren.

Einmal im Jahr gab es eine berühmt-berüchtigte Versammlung, zu der vielleicht 10 Fabrikanten angereist kamen, und unser chinesischer JV-Partner HUARAN fing an, in sehr höflichem und für mich nach wie vor unverständlichem Chinesisch die einzelnen Fabriken gnadenlos zu kritisieren.

Auf diese Art und Weise hatte er dann aus 10 Fabriken die seiner Meinung nach besten 6 ausgewählt und diese erhielten dann die Produktionszusage für die nächsten 12 Monate.

Wer durchfiel, wurde nächstes Jahr wieder eingeladen, und auf diese Art und Weise hatte unser JV-Partner immer mehr Produktionsangebote als er benötigte.

Die Preise für alle möglichen Produkte wurden hierbei auch gleich für das kommende Jahr festgelegt und natürlich bekamen die Fabriken die Zuschläge, die versprachen, am günstigsten zu produzieren.

Ein solches Ausschreibungs-Verfahren wird bei allen europäischen Supermarkt-Ketten mit allen großen Lieferanten seit Jahren durchgeführt – es war nichts Neues – nur dass ich hier erstmalig Zeuge des Ausschreibungs-Verfahrens auf der Auftraggeber-Seite war- in Europa konnte ich als Anbieter nur mein Angebot abgeben und den Einkäufer anschließend still in mein Nachtgebet einschließen.

Nachdem diese Entwicklung sich in den ersten Jahren der 90er Jahre eingespielt hatte, merkte ich ab 1993-94, dass die Unzufriedenheit bei unseren Hauptfabriken immer größer wurde.

Direkte Joint Ventures

Mit mir persönlich hatten sie die ganze Sache vor über 10 Jahren angefangen – man hatte sich immer bemüht, bestens zu kooperieren und mir alle möglichen Steine aus dem Weg geräumt.

Und jetzt war man wieder eine Art Befehlsempfänger einer chinesischen Firma geworden, die nicht einmal im Namen etwas mit Henckell zu tun hatte.

Die kommerzielle Grundsituation in China hatte sich auch sehr stark gewandelt.

Die einzelnen Fabriken wurden mächtiger, die lokalen Behörden in den kleineren und größeren Provinzen, Städten und Gemeinden bekamen in kurzer Zeit immer mehr Mitsprache- und Entscheidungsrechte und der gesamte zentralistische Apparat beschränkte sich auf die 3 Sektoren Behörden, Banken und Militär.

Die Gründe, warum wir 1990 das erste JV HUARAN gegründet hatten, waren allen Fabriken bekannt.

Jetzt aber, es war Anfang 1994, kam die erste Fabrik mit einem neuen Vorschlag:

Statt eines „zentralen“ Joint Ventures sollten wir lieber mehrere direkte JV mit den besten und größten Fabriken abschließen.

In China gab es inzwischen tausende oder vielleicht Zehntausende von JV-Abkommen.

Alle Chinesen in Hongkong konnten sich über JV-Verträge Zutritt nach China verschaffen, und selbst aus dem politisch so verhassten Taiwan waren die ersten JV-Verträge über Mittelsfirmen in Hongkong abgeschlossen worden.

Eine JV-Vereinbarung zwischen einem deutschen Produzenten ( Händler waren wir schon lange nicht mehr) und einer großen chinesischen Fabrik in Nord- oder Zentralchina war nichts Außergewöhnliches mehr.

Der Aufbau solcher direkten JV-Verträge war auch überall gleich – die finanziell immer mittellosen Fabrikanten brachten Ihre Fabrik, Ihr Gelände und Ihre Arbeitskraft ein.

Alles im Grunde immaterielle Werte, die aber selbstverständlich für den, der sie zu Nutzen verstand, einen großen Gegenwert darstellten.

Die Ausländer sollten das mitbringen, was sie am meisten hatten: Fachwissen und Geld.

In dieser Form gab es praktisch schon vorgedruckte Verträge in jeder Provinzhauptstadt – und was das Wichtigste war, die lokalen Banken konnten bei Vorlage eines gültigen JV-Vertrages die Produktionsfinanzierung für die chinesische Seite durchführen.

Da gab es auf lokaler oder auf Provinz-Ebene so manches Geklüngel- Sparkassendirektoren sind auch nur Menschen, und wenn man in der gleichen Stadt wohnt und im gleichen Restaurant feiert, ist schnell ein gutes Band geflochten.

Vereinbarungen

Es wurden schließlich 2 Vereinbarungen getroffen:

– Der eigene erste JV in Peking ( HUARAN) wird ab Mitte 1994 zuständig sein für die Entwicklung neuer Technologien, für Labor- und Forschungszwecke und für die Beschaffung von Chemikalien und allen anderen Zusatzstoffen, die wir für unsere inzwischen immer kompliziertere Produktion in den einzelnen Fabriken benötigen.

– die Fabriken aber werden als neuer Joint-Venture-Partner durch diese neuen JV-Abkommen selber für die gesamte Rohwarenbeschaffung zuständig sein, alles andere wird so abgewickelt wie bisher.

Wenn die Fabriken jetzt auf Grund dieser neuen JV-Abkommen die Finanzierung auch von ihren lokalen Banken bekommen, bedeutet das für uns auch, dass wir ab sofort dann das Fertigprodukt an diese lokale Bank im Ort der Fabrik zahlen sollen und nicht mehr, wie bisher, an die staatlichen Stellen in Beijing.

Das war ein nicht unwichtiger Punkt, denn bei jeder Zahlung, die wir bisher nach Beijing machten, blieb in Beijing irgendwo in den dortigen Banken für die Import-Exportbehörden und Export- und JV-Abteilungen sehr viel hängen- jedenfalls behaupteten dies die Fabriken immer wieder.

Vertrauen

Ganz wichtig war bei diesem neuen JV jetzt die Vertrauensstellung, die Henckell als zukünftiger deutscher JV in so einer Direkt-JV-Verbindung hat.

Es ist bekannt, dass in China und Japan die persönliche Beziehung die absolute Hauptrolle spielt.

Es können noch so schöne Prospekte oder Angebote überreicht werden, der Chinese geht erst dann eine konkrete Geschäftsverbindung ein, wenn sich sein Partner nicht nur einmal vorgestellt hat, sondern mit verschiedenen Besuchen auch gezeigt hat, wie wichtig ihm eine Verbindung zu gerade diesem chinesischen Partner ist.

Ich selber war nach 15 Jahren Aufbauarbeit in China überall in der Branche bekannt.

Meine Firma spielte dabei eine untergeordnete Rolle, es galt allein das Wort, das ich zusagte oder verweigerte.

Dass wir in Hamburg zu der Zeit in der Henckell & Co eine private Firma in Form einer alten KG waren, die mir als Komplementär persönlich gehörte, spielte für die Chinesen keine Rolle.

Die neuen Joint Ventures

Ich selber habe dann diese neue JV im Laufe der nächsten Jahre Stück für Stück mit unseren Hauptproduzenten gegründet und am Leben erhalten.

Es waren schlussendlich in den Jahren 1994- 200 insgesamt 5 neue JV, die mit einem Gesamtvolumen von 1,97 Mio. Dollar einem Gesamtanteil von 1.3 Mio. auf der Chinaseite und 670 T USDL auf meiner Seite ausgestattet wurden.

Den Anteil von Henckell habe ich teils in bar, teils per Überweisung eingebracht.

Bareinlagen waren sehr oft nötig, weil Kapitaleinlagen aus dem Ausland diversen Abzügen unterlagen.
Bis von einem Kapitaltransfer aus Deutschland schlussendlich eine Restgeldmenge auf dem Konto der Gerberei in der Provinz ankam, konnte sich der ursprüngliche Betrag schon mal um 20 – 30% reduzieren.

Sowie irgendwo „freies Geld“ für Joint-Venture-Einlagen auftauchte, fanden viele Beamte einen Grund, dies irgendwie zu besteuern, mit diversen Verwaltungskosten zu belegen und Gebühren abzurechnen für irgendwelche uralten Transaktionen.

Es war wie überall auf der Welt- wer auf fremdem Geld saß, gab es nur sehr widerwillig weiter.

Andererseits mussten die chinesischen Fabriken ihre Einkäufe in Australien jetzt, so wie es international üblich ist, bezahlen: per netto Kasse vor Verladung der Ware.

Nur bei Bargeld-Einlagen bekamen die Fabriken wirklich unseren JV-Anteil, um damit sofort das geschäftlich Notwendige in die Wege zu leiten.

Persönliches Joint Venture

Da Henckell & Co und damit automatisch auch ich selber in den Jahren 1980 – 1994 gut bis sehr gut verdient hatten, stellte ein Betrag von einigen hunderttausend US-Dollar, dazu noch verteilt auf mehrere Jahre, für mich persönlich kein Problem dar.

Es war in meinen Augen schlussendlich auch egal, ob das Geld von Henckell & Co oder von Thewes Henckell privat gezahlt wurde, da Henckell & Co im ausschließlichen Besitz von Thewes Henckell war.

Nachdem 1994 auf diese Art und Weise das erste neue Direkt-JV gegründet war, folgten in den nächsten Jahren 1995, 1997, 1998 und 2000 die weiteren JV mit unseren anderen Hauptpartnern in China.

Der zeitliche Abstand war nötig und gewollt, weil sowohl die China-Seite als auch ich sehen wollten, wie sich diese Art von neuen direkten JV entwickelt.

JV-Partner dieser Art waren Gerbereien, Schuhfabriken, Lederbekleidungsfabriken und Spezialbetriebe für die Produktion von Autositz-Lammfellen.

Keine Erlöse

Es hat genau wie bei der ersten JV-Vereinbarung in Beijing mit Huaran auch bei allen vor 1994 – 2000 neu gegründeten, direkten Joint-Ventures niemals irgendeine Dividendenzahlung oder eine Rückzahlung in irgendeiner Form seitens der Chinesen gegeben.
Es sind auch keinerlei weitere Einschüsse von meiner Seite in die jetzt bestehenden JV gezahlt worden.

Andererseits und ganz wichtig:

– die Bindung in Form dieser neuen JV hat dazu geführt, dass wir uns bei der Auswahl unserer chinesischen Produktionspartner ganz entschieden auf die neuen JV-Partner konzentrierten.

– Der Gesamtumsatz der Firma Henckell & Co lag in all den Jahren bei ca. 12-15 Millionen DM.

– Davon entfielen mindestens 80% auf China-Produktion.

Und diese 80% China-Produktion wurde wiederum zu ebenfalls gut 80% mit den 5 chinesischen Firmen getätigt, die jetzt durch das neue JV mit uns verbunden waren.

Eine gelegentlich von mir ausgesprochene Drohung, dass wir für den Fall, dass die Produktionskosten zu schnell steigen, sehr schnell die JV-Vereinbarung kündigen und die Chinesen dann mein JV-Kapital mir wieder auszahlen müssten, hat immer genügt, um die Produktionskosten in China auf einem Niveau zu halten, welches uns auch in schlechteren Zeiten eine vernünftige Rendite gewährleistete.

Deutschland

Es gab noch einen weiteren Grund, warum diese neuen JV-Vereinbarungen von mir praktisch als „Privatsache Thewes Henckell“ behandelt wurden:

Nach unserem ersten offiziellen JV in Beijing 1990, das ganz formal und mit allen Zertifikaten, Verträgen und den entsprechenden Geldtransfers durchgeführt wurde, gab es 1991, 1992 und 1993 eine Flut von Nachfragen des deutschen Finanzamtes bezüglich der Abwicklung, der Gewinnausschüttung, der offenen und/oder verdeckten Beteiligungen und was weiß ich noch alles zu Betreffs in dieser Sache.

Eine JV mit einem Partner in China war total neu, und es wollte niemandem bei unserer Steuerbehörde so richtig einleuchten, warum dort keine Erträge erwirtschaftet wurden, die ausgeschüttet und verbucht werden.

HUARAN und damit das erste offizielle Joint Venture der Firma Henckell in China war zum Schluss sowohl bei unserem seinerzeitigen Steuerberater als auch in unserer eigenen Buchhaltung einfach ein rotes Tuch.

Ich habe diverse Telefonate und Besprechungen erlebt, die sich um die Abwicklung unserer Joint-Venture-Einlagen und deren Schicksal in unseren Bilanzen drehten.

Ich versuchte es den Steuerbeamten von meiner Sicht aus zu erklären- alle meine Erklärungen wurden zur Kenntnis genommen und so schnell verworfen, wie sie ausgesprochen wurden.

Ich glaube, wir haben zum Schluss freiwillig irgendeinen Ertrag aus dieser ersten JV-Verbindung mit China simuliert, nur um endlich Ruhe vor den braven deutschen Steuersachbearbeitern zu haben.

Dies alles hatte ich natürlich im Kopf, als es um die Gründung der jetzt neuen direkten JV ging.

Die Konsequenz

Die Konsequenz war klar für mich – so ein Theater wollte und durfte ich in der Firma Henckell & Co nicht noch mal erleben und dann vorhersehbar gleich noch mehrfach mit diversen Produktions-JV mit verschiedenen Fabriken.

Ich bezahlte den Henckell-Anteil dieser 5 JV in den Jahren 1994 – 2000 darum ganz einfach persönlich und behielt diese JV-Vereinbarungen bei mir im Schrank.

Und dort lagerten sie ruhig und problemlos die nächsten Jahre.

Die Krankheit

Anfang 2000 wurde die Henckell & Co in eine AG umgewandelt. Ich behielt die chinesischen JV-Verträge weiterhin bei mir zu Hause unter Verschluss – sie hatten inzwischen voll und ganz ihre Schuldigkeit getan.
Die 5 großen chinesischen Firmen waren zufrieden mit der Zusammenarbeit mit ihrem Hauptpartner aus Hamburg und ich war es auch.

Anfang 2002 erkrankte ich an einigen Hautkrankheiten, deren Leiden sich leider nicht besserten, sondern verschlimmerten.

Meine Konzentrationsfähigkeit ließ nach, ich musste längere Pausen machen und auf Reisen brauchte ich wesentlich mehr Zeit als in den Jahren zuvor.

Da mir die Ärzte sagten, dass man mit einigen Mitteln und Behandlungsmethoden die Schmerzen der Erkrankung zwar lindern, aber die Krankheit selber nicht heilen könne, begann ich, mich auf einen langsamen Rückzug aus der Geschäftsleitung der Firma vorzubereiten.

Es gab sehr gute Mitarbeiter, die den Aufschwung der gesamten China-Produktion in den letzten Jahren persönlich auch in China bei diversen Besuchen miterlebt hatten, und ich war sicher, dass auch meine JV-Vereinbarungen bei ihnen gut aufgehoben sein würden.

Der Wert

Obwohl der reale Erlös aus diesen 5 JV-Verträgen niemals konkret in Mark und Pfennig oder heute in Euro und Cent ausgerechnet werden kann, so war mir und auch den Mitarbeitern der Firma natürlich bewusst, welchen Wert sie hatten.

Alle diese fünf neuen Joint-Venture waren der eigentliche Antrieb, die Batterie oder der Grundstein für eine jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen China und Hamburg.

Ich selber hatte in all den Jahren im Vergleich zu vielen anderen Menschen in meiner Position sicherlich bescheiden, aber auch gut gelebt, recht gut verdient und wollte für diese JV-Verträge keine Bar-Entschädigung.

Es ergab sich, dass auf meinem Privatkonto zu dieser Zeit ein Passivsaldo von ca. 150 T Euro war.

Meine Frau und ich hatten uns entschieden, von Hamburg wegzuziehen nach Witzhave, es lag wesentlich näher zur Firma in Trittau, wo ich auch zu dieser Zeit noch den größten Teil des Tages einschließlich aller Wochenenden verbrachte.

Dafür wollten wir das Häuschen in Witzhave umbauen und dafür entnahm ich aus der Firma den entsprechenden Betrag.

Ich habe dann folgendes verfügt:

sämtliche JV-Verträge gehen in den Besitz der Firma über.
Ein Betrag von 200 T Euro wird meinem Konto als Wert für die jetzt von mir in die Firma eingebrachten Joint-Venture-Verträge gutgeschrieben.

Im Gegenzug wird mein Konto ausgeglichen resp. wandert wieder ins Plus.
Was dann gegebenenfalls als weiterer Wert für diese Joint Venture Verträge festgesetzt wird, erhält die Firma von mir als Geschenk – in der Hoffnung, dass man diese wertvollen Verträge weiterhin so behandeln würde, wie ich es getan hatte – sie waren und sind bis zu diesem Moment ein entscheidender Teil der Werte der Firma gewesen.

So ist es geschehen, die Buchungen wurden gemacht und für mich war das Kapitel damit endgültig abgeschlossen.

Der Schluss

Nachdem die Firma Henckell AG dann, trotz der besten Auftragslage ihrer 90-jährigen Geschichte, im Jahr 2005 durch die Commerzbank in die Insolvenz gezwungen wurde, hatte ich selber über diese Verträge nicht mehr viel nachgedacht, sie waren für mich Teil einer leider abgeschlossenen Geschichte geworden.

Da die Insolvenzverwaltung, die dann kurzfristig die Geschäftsleitung übernahm, jetzt behauptet, die Erlöse auf meinem Konto aus diesen JV-Verträgen seien nicht rechtens und Aufklärung fordert, was hinter diesen ganzen JV-Verträgen steht, habe ich mich hingesetzt und diesen Bericht geschrieben.

Es ist nicht nur ein Bericht über die JV geworden, sondern wohl gleichzeitig auch ein Bild aus 40 Jahren Arbeit in einem recht bewegten Leben – welches nach 10 Jahren Südamerika, dann 30 Jahren China seinen kaufmännischen und auch persönlichen Sinn erhielt.

Thewes Henckell
30 Jahre China
As time goes by.

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