Viva Chile, mierda

Hymnen und Gesänge

Chile ist ein Scheiß-Land.

und dazu noch das einzige Land der Welt, das darauf auch noch stolz ist.

Alle anderen Länder haben als National-Spruch oder Hymne irgendetwas Patriotisches oder göttlich angehauchtes oder ihr eigenes Königshaus über alles gestellt – das ist normal.

Frankreich

„Vive la France“ brüllen die Schneckenfresser, wenn ihre tapfere Armee, die zweimal hintereinander ihre Weltkriege verloren hatte, einmal im Jahr auf den Champs Elyssee die große Parade abhält.

England

„God save the Dingsbumms“ singen alle Engländer ergriffen.

Sie müssen in ihrer Nationalhymne jeweils entweder die Queen oder den King einsetzen, je nachdem, wer gerade dran ist. Das hat gerade bei älteren Mitbewohnern oftmals zu Verwechslungen und Diskussionen über die Erbfolge geführt.

Spanien

Die Spanier waren und sind bekannt für ihre große Fiesta.

Und als sie dann vor einigen hundert Jahren bei einer rauschenden Feier so stockbesoffen waren, dass sie nur noch lallen konnten, ordnete der seinerzeitige König an, dass ab sofort die spanische Nationalhymne keine Worte mehr haben darf.

Und so ist es dann auch bis heute geblieben.

Griechenland

Die Griechen wiederum sind so ziemlich das Gegenteil.

Als Erfinder der europäischen Demokratie hatten sie schon sehr früh gemerkt, dass man sich manchmal etwas Besonderes einfallen lassen muss, wenn man irgendetwas gewinnen will.

Bei den frühen Olympischen Spielen, also vor einigen tausend Jahren, kämpften die Griechen gegen die Türken, die Perser und die Mazedonier um olympische Ehren.

Und meistens absolut chancenlos.

Da kamen sie auf folgende Idee:

Als es fest stand, dass jedes Land seine Nationalhymne singen sollte, bevor eine Sportart startete, liefen die griechischen Teilnehmer erst mal ganz schnell nach Hause.

Dann legten sie sich auf ihr mit Ölzweigen bedecktes Lager und schliefen den Schlaf der Gerechten.

Nach 8-9 Stunden wachten sie wieder auf und gingen gemütlich ins Stadion zurück.

Dort fanden sie alle Konkurrenten tief schlafend auf dem Rasen.

Der Grund war einfach, aber taktisch hervorragend: 

Die griechische Nationalhymne hat 142 Strophen. 

Wenn man jede Strophe mit 4 Minuten ansetzt und 1 Minute Pause zwischen jeder Strophe, weil man das Textbuch umblättern musste – man hatte noch kein Papier, sondern alles war auf Tafeln geschrieben, die auch irgendwie zum Ablesen der jeweiligen Strophen bewegt werden mussten – wenn man also dann 5 Minuten pro Strophe ansetzt, waren es 710 Minuten oder knapp 12 Stunden, die es dauerte, bis die komplette griechische Hymne abgesungen war. 

Das wussten aber nur die Griechen.

und damit gewannen sie fast alle seinerzeitigen olympischen Disziplinen.

Amerika

Die Amerikaner klopfen sich jedes Mal beim Absingen ihrer Nationalhymne auf die Brust, um zu prüfen, ob sie dort auch wirklich noch ihre automatischen Waffen unter dem Hemd haben, mit denen sie dann gelegentlich im Stadion ein bisschen rumballern.

Sie haben auch längst vergessen, dass ihre amerikanische Nationalhymne früher ein bekanntes schottisches Sauflied war.

Island

Die Isländer hatten als stolze Besitzer der absolut schwierigsten europäischen Sprache immer den Vorteil, dass in Kriegs- und Gefahrensituation niemand sie verstehen konnte.

Isländisch ist eine germanische Halskrankheit, deren Heilung noch nicht vorangeschritten ist.

Damit sie sich aber bei internationalen Sportveranstaltungen bemerkbar machen können, entwickelten sie vor gar nicht so langer Zeit das ganz berühmt gewordene isländische Whu – Whu Whu – einen gutorischen Aufschrei, der bei so manchem Fußballspiel seine Wirkung gezeigt hat.

CHILE

Aber ganz einsam an Platz eins aller patriotischen Gesänge und Schlachtrufe liegen die Chilenen.

Sie machen es kurz und sagen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit einfach nur ihre berühmten drei Worte

Viva Chile Mierda.

Die Übersetzung von „Viva“ dürfte klar sein, ebenso gut das an zweiter Stelle stehende Wort „Chile“.

Das letzte Wort „Mierda“ da ist die ganz normale spanische Bezeichnung für „Scheiße“.

Die Alchimisten 

Ein Alchimist ist nach landläufiger Beschreibung ein Mensch, der aus irgendeinem anderen Material – z.B. aus Gestein oder Metall – Gold machen kann.

Im Mittelalter hatten die Alchimisten ihre Hochkultur.

Jeder kleine Fürst, Graf oder König brauchte Geld für seine Armee und seine sonstigen Gespielinnen. 

Wer dabei als Alchemist gut auftreten konnte mit dem Versprechen, aus irgendwas jetzt Gold machen zu können, konnte damit rechnen, eine längere Zeit an einem Fürstenhof durchgefüttert zu werden.

Diese Zeit ist nun endgültig vorbei. 

Niemand hat es geschafft aus irgendeinem anderen Material Gold zu machen.

Mit Ausnahme der Chilenen.

Die Chilenen haben sogar den absoluten ersten Platz in dieser Königskategorie.

Sie waren über ein ganzes Jahrhundert in der Lage, aus echter Scheiße echtes Gold zu machen.

Dies führte zu einem Wohlstand, der bis heute Chile in Südamerika eine führende Rolle eingebracht hat.

Das weiße Gold

Jeder, der in seiner Jugend einige Dutzend der Abenteuerbücher von Karl May gelesen hat, weiß, dass in vielen Teilen der Welt die jeweiligen Eingeborenen eine historisch gewachsene Beziehung zu ihrem Vieh hatten. Und auch heute noch haben wir.

Die Araber und Berber in Nordafrika benutzen noch heute den Dung ihrer Dromedare sowohl zum Feuer machen als auch zum Düngen ihrer kleinen Obst- und Gemüseplantagen.

In Chile gibt es auch Kamele. 

Sogar drei verschiedene Arten. Im Süden die Guanacos, in der Zentralzone in den dortigen Bergen der Anden die Vicunas und im Norden die Lamas.

Allerdings sind zum einen die Bestände dieser drei südamerikanischen Kamelarten in Chile relativ gering und zum anderen sind aufgrund ihrer meist zierlichen Gestalt die Mengen, die sie an Dung hinterlassen, nicht ausreichend, um damit irgendetwas Besonderes anfangen zu können.

Somit fallen diese nationalen Tierarten aus, um irgendetwas mit Gold zu tun zu haben.

Dann gibt es in Chile ganz im Süden noch große Mengen von Schafen.

Aber aus deren Wolle und sonstigen Abfällen hat noch niemand irgendein Stück Gold machen können.

Und trotzdem haben die Chilenen es geschafft, aus ganz gewöhnlichem Tier- Scheiße Gold zu machen.

Und zwar das weiße Gold.

Tiefsee

Jeder kennt die geografische Lage von Chile.

Von Nord nach Süd mit einer Länge von über 4000 km, dafür hat Chile von West nach Ost weniger als 200 km Breite.

Chile ist praktisch der obere Teil eines riesigen Gebirges, welches sich viele tausend Meter unter dem Meeresspiegel des Pazifiks steil nach oben bewegt, um sich über Wasser zum gewaltigen Anden-Gebirge zu formen.

Am Rande dieses riesigen Abhangs klammert sich Chile an diese Bergkette.

Dadurch, dass Chile direkt hinter seiner Meeresküste noch weitere 3-5000 Meter in die Tiefsee fällt, hat sich ein riesiger Strom direkt vom antarktischen Südpol an der Küste von Chile entlang entwickelt. 

Er strömt das ganze Jahr über eisige antarktische Wassermassen direkt an der chilenischen Küste vorbei nach Norden – der Humboldt-Strom.

Jeder weiß auch, dass sich Fische und sämtliche anderen Meerestiere besonders gut entwickeln können, wenn es um sie herum kaltes und möglichst klares Wasser gibt.

Dieser eiskalte Humboldtstrom treibt eine unendliche Menge von Fischen und anderen Meerestieren von der antarktischen Tiefsee vorbei an der Küste von Chile bis hin zu wärmeren Pazifikgebieten vor Peru. 

Dieses Fischreichtum ist bekannt.

Aber nicht nur bei den Menschen, sondern auch bei den Tieren.

Es gibt kaum ein Gebiet der Welt, wo Seevögel das ganze Jahr über nur losfliegen brauchen, um sich dann umgehend ins Meer zu stürzen und mit vollem Schnabel wieder an die Oberfläche zu kommen. Zu gelangen – und das das ganze Leben lang.

Hinzu kommt, dass diese Seevögel in ihrem dortigen Lebensraum keine weiteren natürlichen Feinde haben. 

Sie können sich so viel vermehren, wie sie wollen.

Der einzige Grund, der ein noch weiteres Ausbreiten der Populationen verhindert, ist die Fläche der Nistplätze.

Denn diese Seevögel leben alle in kleinen, abgeschiedenen und für die meisten Menschen unerreichbaren Inseln, die im Norden der chilenischen Küste vorgelagert sind.

Die weißen Inseln

Als die Menschen vor 200 Jahren zum ersten Mal bewusst diese kleinen, weiß leuchtenden und in der Sonne ewig blinkenden Inseln anfingen zu untersuchen, war die Untersuchung schnell vorbei.

Der Grund war ganz einfach: 

Es stank schon in größerer Entfernung dieser Inseln dermaßen penetrant, dass kein Ruderboot mit abenteuerlustigen Seeleuten auch nur in die Nähe dieser weißen Inseln kam.

Und damit blieben die Seevögel auch weiterhin viele Jahre ungestört.

Das Paradies ist endlich

Doch alles änderte sich, als Forscher mit Wäscheklammeren auf den Nasen irgendwann doch die ersten dieser Inseln erreichten. S

Sie sahen sofort, dass die gewaltigen weißen Massen, die die Inseln meterhoch überdeckten, nichts weiter waren als der Kot der Seevögel.

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Im Laufe der Jahrhunderte oder Jahrtausende hatte sich hier eine dermaßen hohe Kotschicht gebildet, wie sie sonst nirgendwo auf der Welt zu beobachten war.

Und jetzt war es mit der Ruhe und Abgeschiedenheit vorbei.

Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts machten sich die ersten großen Segelschiffe auf die Reise um Kap Horn, um auf der Pazifikseite zu diesen weißen Inseln zu fahren.

Das spanische Wort für diesen weißen Mist, den die Vögel dort tausende von Jahren hinterließen, heißt Guano.

Und so nannte man dann diese speziellen Frachtsegler auch Scheißschiffe oder vornehmer gesagt die Guano-Shipper.

Guano

In Europa war der Kunstdünger noch nicht erfunden. 

Die Bauern düngten ihre Felder mit dem Mist ihres Viehs, und dass es immer mehr Menschen gab und immer mehr angebaut werden musste, war die Möglichkeit noch größere Felder mit der gleichen Menge von Dünger zu bewirtschaften immer schwieriger geworden.

Man suchte dringend nach tierischen Exkrementen in irgendeiner Form, um damit die Felder wieder fruchtbarer zu machen.

Der Kamelmist aus Nordafrika war zu weit entfernt und zu teuer und wurde auch von der dortigen Bevölkerung selber benutzt.

Das war die Stunde der europäischen Seeschiffer und Reedereien.

Ein Schiff nach dem anderen wurde umgebaut. 

Der Besatzung wurden Extraprämien angeboten, wenn sie sich bereit erklärten, mal ein halbes Jahr in der Scheiße zu leben.

Denn die Hinfahrt von Europa über den Atlantik und rund um Kap Horn war schwierig und gefährlich. So manches Schiff hat nie den Pazifik erreicht.

Aber wenn sie es geschafft hatten, segelten sie an der chilenischen Küste hoch bis in das Grenzgebiet von Chile und Peru.

Dort hackten sie mit einfachen Mitteln tonnenweise den Guano ab und verstauten es in den Frachtluken ihrer Segelschiffe.

Dass das Zeug zuerst bei tropischer Hitze anfing fürchterlich zu stinken und später, wenn man in kühlere Gebiete kam, sich alles in so ein regelrechtes Eis- Scheiße verwandelte- das durfte niemanden stören, dafür gab’s die Zulagen.

Und wenn dann schließlich so ein Schiff nach einem halben Jahr wieder in Europa angekommen war, zahlten die Händler in London, Rotterdam, Bremen und Hamburg fantastische Preise für jedes Kilo dieses weißen Gestanks.

Und damit schließt sich der Kreis – die Chilenen hatten tatsächlich Gold in ihrem Land.

Nur dass es nicht das Gold der Inkas war, sondern der weiße Mist von Milliarden von Seevögeln.

Der Preis war immens sowohl für den Aufwand als auch für den Erfolg.

Es war für alle berauschend- und eine ganze Generation von Seefahrern und Segelschiffen machte sich an den Abbau dieser Felsendünger.

Vielleicht ist jetzt etwas klarer geworden, warum das Nationallied respektive der Nationalspruch in Chile noch heute aus den drei Worten besteht:

Viva Chile Mierda.

Das Militär 

Zum Ende des 19 Jahrhunderts fanden Chemiker heraus, dass man mit diesem Dunggemisch aus Chile auch noch etwas anderes machen konnte. 

Vereinfacht gesagt wurde daraus Salpeter hergestellt – was wiederum für die Kanonen- und Waffenindustrie der europäischen Heere von sehr großem Nutzen war.

Und weil alles, was mit Waffen, Heeren und Militär zu tun hat, immer auch schnell etwas mit Gewalt zu tun hat, gab es zum Schluss um diese weiße Scheiße sogar noch einen richtigen Krieg.

Der Salpeterkrieg

Die südamerikanische Westküste wurde im 18. und 19. Jahrhundert von zwei Ländern beherrscht, beide groß und mächtig und die beiden taten sich im Prinzip nie etwas.

Es waren unten am Pazifik Chile und in der Mitte Südamerikas das ehemalige Inkareich Peru. 

Die beiden Hauptstädte Santiago de Chile und Lima waren in der Hand von Kaufleuten, die international über die ganze Welt ihre Verbindung hatten und denen es einfach gut ging.

Wenn wir uns heute irgendeine Landkarte von Südamerika ansehen, so gibt es dort eine ganz normale Grenze zwischen Chile und Peru.

Oben am Ende der 4275 km von Chile fängt übergangslos das Gebiet von Peru an.

Das war aber nicht immer so.

Im 17. und 18. Jahrhundert hatte Bolivien eine ca. 200 km breite Landfläche am Pazifik.

Wenn man Bolivien heute auf der Landkarte ansieht, so ist es wie ein Klecks, der in der Mitte von Südamerika liegt, umgeben von vielen anderen kleinen und großen Ländern, aber ohne irgendeinen Zugang zu irgendeinem Meer.

Das war wie gesagt vor 200 Jahren ganz anders. 

Dort, wo heute die Grenze von Chile und Peru ist, gab es ungefähr 200 km Küste und diese Küste gehörte zu Bolivien.

Und das Entscheidende war, dass gerade hier vor dieser seinerzeitigen bolivianischen Küste die meisten der Guano-Inseln lagen.

Es war anfangs völlig unwichtig, zu wem diese Inseln gehörten.

Erst als aus dem Vogelmist ein weißes Gold wurde, erweckte alles, was sich in dieser Region abspielte, die Begehrlichkeit sowohl der Kaufleute und Militärs in Santiago in Chile als auch ihrer Kollegen in Lima in Peru.

Beide hatten eins gemeinsam: : 

Sie hatten Angst, dass jetzt plötzlich diese weißen Inseln zu Bolivien kommen würden. 

Und das sollte mit aller Macht verhindert werden.

Um es kurz zu machen – man zettelte einen Krieg an zwischen Chile, Bolivien und Peru.

In diesem Krieg verbündeten sich Chile und Peru und schlugen schnell und radikal die Bolivianer aus ihren Küsten-Gebieten des Pazifiks

Als die Bolivianer geschlagen waren und sich auf ihr Hochland zurückzogen, wurde die ehemalige bolivianische Küste brüderlich aufgeteilt.

Die Hälfte bekam Peru mit der Hafenstadt Tacna, die andere Hälfte bekam Chile mit der Hafenstadt Arica ganz im Norden von Chile.

Und so ist es bis heute geblieben.

Das ganze ging in die Geschichte ein als Salpeterkrieg und ich bin ziemlich sicher, dass die einzigen Menschen, die mit diesem Begriff Salpeterkrieg etwas anfangen können, die Leser dieses Berichts sind.

Robinson Crusoe

Über die Geschichte von Robinson Crusoe braucht man nicht viel zu erzählen. 

Es ist allgemein bekannt, dass er von seinem Schiff ausgesetzt wurde auf eine einsame Insel im Pazifik und dort jahrelang gelebt hat.

Diese Insel gibt es wirklich und sie gehört zu einer ganz kleinen Inselgruppe vor der chilenischen Küste.

Die Insel selber heißt heute noch Robinson Crusoe-Insel und sie gehört zum Juan Fernandez Archipel- Eine ganz kleine Ansammlung von Inseln mit einigen 100 Menschen heute und ohne irgendwelche größere wirtschaftliche oder touristische Bedeutung.

Ikea

Es gab in den Siebziger- und Achtzigerjahren in Skandinavien und Nordeuropa die große Wohn-Mode unter dem Oberbegriff skandinavisch einfach, stilvoll, schlicht und geschmacklos.

Das war gleichzeitig auch der Beginn des Siegeszugs von Ikea.

Ich selber hatte an Ikea zu jener Zeit schon Rinderfelle geliefert, die man dort als Fußboden-Dekoration für schwedische Holzhäuser verkaufte. Eine alte Kuh vor dem Kamin, das fanden die meisten irgendwie toll.

Diese Rinderfelle besorgte ich aus Süd-Brasilien, Uruguay und Argentinien und sie brachten mir und meiner Firma gutes Geld, ein bisschen Ansehen und ich konnte damit auch sehr gut eine andere Tätigkeit überdecken, die ich gleichzeitig in den zehn Jahren, die ich insgesamt in Südamerika verbrachte, erfolgreich ausübte.

Das war meine Tätigkeit als einer der erfolgreichsten Schmuggler jener Zeit in ganz Südamerika. Mit Schwerpunkt im mittleren und oberen Amazonas.

Ich erwähne das jetzt hier, weil es irgendwann noch einen kleinen Abschnitt in meiner chilenischen Zeit darstellen wird.

Zurück zu Robinson Crusoe und Ikea.

Auf diesem Archipel der Juan-Fernandez-Inseln gab es eine Tierart, die sich überall ganz schnell ausbreitete.

Es waren Ziegen.

Ziegen sind überall dort anzutreffen, wo es gebirgig ist, die Landschaft karg und wo es für die Ziegen wenig Fressfeinde und Gefahren gab.

Das ganze traf hier auf diesen kleinen Archipel zu. 

Und für mich war das Wichtigste, dass ich diese Ziegen dort ungestört vermehren konnte.

In allen anderen Teilen der Welt werden Ziegen auch domestiziert und man versucht mit Ziegenmilch, Ziegenkäse und anderen Teilen des Tieres Geld zu verdienen.

Dafür werden die Ziegen irgendwann mal zu bestimmten Rassen gezüchtet und das bedeutet, dass sie entweder schnell alle weiß oder schmutzig weiß in der Haarfarbe werden oder schwarz- irgendwie schafft es die Natur, dass nach menschlichen Zucht-Eingriffen die Farbe der Tiere sich egalisiert.

Hier auf der Robinson Crusoe-Insel und den anderen Inseln dieses Archipels ist kein Mensch an den Ziegen interessiert.

Sie hatten so bunte und exotische Farben in ihren verschiedenen Körperteilen, dass es selbst für Fachleute manchmal schwierig war, deren Felle als Ziegenfelle zu klassifizieren.

Es gab in ganz Chile nur zwei kleine Firmen, die sich mit dem Handel von Produkten mit dem Juan Fernandez Archipel beschäftigten.

Irgendwie fand ich sie raus und nach ein oder zwei Jahren fing man an, diese Ziegenfelle von den älteren und kranken oder sonst wie geschlachteten Tieren zu sammeln und mir zu verkaufen.

Sie waren so interessant, dass ich sie ziemlich schnell Ikea schickte und dort war man begeistert, dass man etwas hatte, was kein anderes Möbelhaus anbieten konnte.

Ich habe auf diese Art und Weise einige Jahre lang schwedische Möbelhäuser mit Robinson Crusoe Kruse verbunden.

Das ist keinem Anderen je wieder gelungen.

Die Verrückten

zurück zu den Chilenen – diesmal als Volk

Sie selber bezeichnen sich nicht nur als Brüder und Schwestern im Geiste der Scheiße, sondern gleichzeitig sind sie auch stolz darauf, sich selber als die Verrückten zu bezeichnen.

Verrückt heißt auf Spanisch loco und die Mehrzahl davon sind Lokos.

Ins Deutsche übersetzt man ganz einfach die oder die Verrückten und im Plural die Verrückten.

In Chile passiert aber nur sehr wenig ohne irgendwelche Hintergedanken.

Es gab noch eine andere Bezeichnung für etwas ganz anderes, was dort auch schlicht und einfach als „loco“ bezeichnet wurde.

Es war etwas Essbares und zwar eine absolute Delikatesse.

Aufgrund des extrem kalten Humboldtstroms hat Chile die wohl besten Meeresfrüchte der Welt.

Und darunter gibt es wiederum zwei Arten, die es nur in Chile gibt und die von so manchem Gourmet mehr geschätzt werden als die kanarischen Hummer oder norwegischen Langusten.

Es ist dies einmal die größte in der Natur vorkommende Seespinne der Welt.

Sie heißt auf Deutsch Riesenseespinne und auf Spanisch „Centolla“.

Das andere Tier ist die pazifische Abalone. 

Es gibt hiervon in Chile eine spezielle Unterart-Abalone, die Art Riesenmuscheln.

Und die wiederum heißt in Chile überall nur „Loco“..- die Verrückten.

Warum man sie als Verrückte bezeichnete, habe ich nie rausgefunden.

Wahrscheinlich waren damit auch nicht die Meerestiere selber – also die Abalone – gemeint, sondern die Menschen, die für so etwas irrsinnig viel Geld ausgaben.

Und es waren und sind nicht nur die Chilenen, sondern vor allen Dingen Japaner und Chinesen, die für kleine Scheibchen dieser Weichtiere irrsinnig viel Geld auf den Tisch legen.

Noch heute findet man in fast jedem chinesischen Restaurant eine Abalonensuppe auf der Speisekarte. Da ist dann in einer normalen chinesischen Kraftbrühe ein bisschen künstlicher Abalonengeschmack beigefügt worden, genauso wie man mit Geschmacksverstärkern heute schwarze Trüffel kreiert, um sie irgendwelchen Dosensuppen beizufügen.

Aber die Locos in Südchile waren geschmacklich so außergewöhnlich, dass sich darum viele Geschichten ranken.

Als ich meine liebe Frau und Inka-Prinzessin Ende der Sechziger kennen lernte und wir Anfang der Siebziger heirateten, hatte ich noch nicht viel in Chile erlebt – außer gelegentlichen geheimen Essen irgendwo in einer kleinen Seitenstraße, wo man Locos bekam. 

Denn schon zu dieser Zeit war der offizielle Verkauf eingeschränkt oder wahrscheinlich sogar verboten.

Es ist müßig, jetzt hier weiter zu berichten über die Verrückten und die damit zusammenhängenden Meeresfrüchte – wenn man es nicht probiert hat, ist es so, als wenn der Blinde von der Farbe redet.

Feuerland

Ich will deswegen diesen kleinen Bericht abschließen mit einem Blick auf eines der weit entferntesten Gebiete der Welt.

Feuerland und die chilenische Südspitze mit deren Hauptstadt. Punta Arenas

Als der Portugiese Magellan im 15. Jahrhundert die Durchfahrt vom Atlantik zum Pazifik rund um die Südspitze Südamerikas fand, wurde schnell klar, dass hier eine ganz wichtige neue Handels- und Schifffahrtsroute entstehen würde.

Die eine Hälfte von Feuerland gehörte zu Argentinien und dort baute man ganz unten eine kleine Stadt mit dem Namen Ushaia.

Heute Ausgangspunkt fast aller Expeditionen und Kreuzfahrten in die Antarktis.

Und die Chilenen bauten auf ihrer Südspitze ebenfalls eine kleine Stadt mit einem Militärhafen und nannten das den neuen Ort Punta Arenas. 

Heute noch einer der einsamsten Städte dieser Welt.

Das Besondere an Punta Arenas war, dass diese Stadt zwar auf chilenischem Nationalgebiet liegt, aber durch nichts außer heute einem Flughafen mit dem Rest von Chile verbunden ist.

Nördlich von Punta Arenas sind nur Berge und die Cordilleren der Anden.

Über 1000 km gibt es keine Straßenverbindung von Punta Arenas zum restlichen Teil von Chile.

Wer mit dem Auto nach Punta Arenas fahren möchte, muss diese 1000 km praktisch auf argentinischem Gebiet durchfahren, um dann irgendwann über die Anden Richtung Santiago de Chile zu kommen.

Ich selber war sehr viele Male in Punta Arenas.

In Feuerland kaufte ich Wolle, Lammfelle und einige Arten von Pelzfellen, die entweder offiziell oder geschmuggelt irgendwie nach Buenos Aires oder noch besser gleich nach Paraguay gebracht wurden, denn dort war das Schmuggelzentrum, das ich mir in all den Jahren in harter Arbeit aufgebaut hatte.

Aber das soll hier nicht weiter behandelt werden, denn jetzt kommt der letzte Teil.

Die Riesen-Seespinnen

Centollas, wie sie in Chile genannt werden, sind riesig.

Sie können bis zu einem Meter im Durchmesser werden und sehen für die allermeisten Menschen furchteregend aus.

Die acht dünnen langen Beine sind bei Feinschmeckern berühmt – aber ich will hier nicht über irgendein Gourmet-Detail reden.

Das einzig Interessante für mich war, dass meine Geschäftspartner in Punta Arenas, die für mich die Waren, die ich dort kaufte, einpackten und versandfertig machten, mir eines Tages erzählten, dass der gesamte Handel mit Centollas in der Hand einer einzigen Mafia-Familie war. 

Diese Familie hatte das Monopol, sie hatten seit Jahrzehnten sämtliche argentinischen Zollbeamten bestochen, die jede ein- und ausgehende Lkw-Ladung über Argentinien nach Punta Arenas kontrollierten.

Und mir wurde angeboten oder besser gesagt durch die antarktische Blume gesagt, dass sich hier vielleicht ein weiteres kleines Betätigungsfeld in meinem Hobby ergeben könnte. 

Als Hobby bezeichnete ich die Tatsache, dass man als Weltbürger doch die verschiedensten Grenzen in Südamerika einfach vergessen sollte oder jedenfalls so tun sollte, als ob sie nicht existent wären. 

Man konnte so etwas auch als Schmuggel bezeichnen, das war dann aber nur sehr profane Ausdrucksweise meiner ethisch anspruchsvollen Tätigkeit.

Und so beschloss ich dann, meinen grenzüberschreitenden südamerikanischen Tätigkeiten noch ein kleines Kapitel hinzuzufügen.

Als Seespinnen-Schmuggler bin ich dann für eine kurze Zeit in die Annalen der südlichsten Stadt der Welt eingegangen.

Handtücher

Alles, was ich in diesen Jahren in Südamerika in kleinen und großen Mengen erwarb, ging schlussendlich nach Europa.

Und somit per Schiff, denn Luftfracht war zum einen zu teuer und vor allem oftmals zu riskant.

Von Punta Arenas aus fuhr kein Schiff auf irgendeiner Route direkt nach Europa. Alles musste vorher entweder nach Valparaiso, dem Hafen von Santiago in Chile oder nach Buenos Aires, der Hauptstadt von Argentinien geschickt werden.

Dort wartete dann meine Ware in großen Transitlagerhallen auf irgendein Schiff, welches die Ballen, Kisten oder sonstige Behälter weiter nach Hamburg oder andere europäische Hafenstädte brachte.

Es gab kein Internet, keine Fax- oder Telefonverbindungen. Entweder per Brief oder, wenn’s ganz schnell und teuer sein sollte, per Telegramm – das waren die einzigen Kommunikationswege.

Und auch die Waren wurden ganz anders behandelt, beurteilt, angeboten und verkauft.

Wenn ich in Feuerland 100 Ballen Rohwolle gekauft hatte, so war ich bis zu dem Moment der einzige, der wirklich wusste, wie die Qualität dieser Wolle war.

Die Tuchfabriken oder Spinnereien in Europa, die daraus irgendwelche Textilien machen sollten, hatten außer einer Beschreibung auf dem Papier keine Ahnung, wie die Qualität dieser 100 Ballen wirklich war.

Um Käufer und Verkäufer hier auf korrekte und schnellstmögliche Weise zusammenzubringen, wurde alles per Muster abgewickelt.

In den Hafenstädten gab es spezielle Firmen, die aus allen Exportgütern Muster zogen und sie weltweit den Kunden schickten.

Ob es sich dabei um Kaffee, Kautschuk, Wein, Wolle oder sonstige Naturprodukte handelte:

Von allem und jedem wurden Muster gezogen, eingepackt und als Vertragsgrundlage zu den Käufern nach Europa, Nordamerika und Asien geschickt.

Das wusste ich alles und dieses Wissen war Grundlage für meine kurzfristige neue Laufbahn als Riesenspinnen-Schmuggler.

Man brauchte dafür vor allen Dingen viele Plastikkörbe und noch mehr Handtücher.

Die Puppe in der Puppe

Analog dem russischen National-Spielzeug besorgten wir also eine größere Menge von Plastikkörben mit Plastikdeckeln. 

Das war kein großes Problem, denn jeder Centolla-Fischer hatte davon Hunderte, mit denen er aufs Meer fuhr, um die Centollas zu fangen.

In die Körbe wurde etwas altes und vergammeltes Fleisch oder Fisch gesteckt, denn Centollas sind Aasfresser.

Die Plastikkörbe waren meistens in einer Reuse gelagert und auf die Art und Weise wurden die Seespinnen gefangen. Die Fangorte hielt jeder Centola-Fischer absolut geheim, das war seine Lebensgrundlage.

Wir schnitten also in aller Ruhe zehn Wollballen wieder auf, nahmen die schmutzige Wolle aus der Mitte des Ballens wieder raus und machten so ein Loch, groß genug, um einen Plastikkorb an dieser Stelle im Ballen zu verstecken.

Dann wurde jede Centolla liebevoll in ein oder mehrere Handtücher gelegt.

Die Handtücher wurden mit der Gießkanne ganz nass gemacht und das ganze wurde dann in die Klassenkörbe gelegt.

immer eine Spinne links, eine Spinne rechts und eine in der Mitte – sodass jeder Korb eine bestimmte Menge von Centollas in sich hatte.

Die Körbe selber wurden sorgfältig dann verschlossen und in die Wollballen gestopft.

Etwas Wolle oben drüber, den Ballen wieder zu nähen und fertig war der somit weltweit erste Centolla-Käfig in einem Wollballen.

Zweimal die Woche gingen kleine Frachtschiffe von Punta Arenas hoch nach Valparaiso.

Die Reise dauerte meist drei Tage und da die Ballen schon als Transitware deklariert waren, weil ich gesagt hatte, alles sei nach Deutschland verkauft und somit gingen die Ballen direkt in die großen Transitlagerhallen.

Was dort gelagert war, interessierte im Prinzip niemanden, denn es war zolltechnisch bereits Ausland.

Zugang zu dieser Halle hatten die Kontrollfirmen.

Und so wurden auch aus den 10 Ballen schöner Feuerland-Wolle die entsprechenden Muster gezogen.

Dabei gingen dann auch ganz einfach zehn große Plastikbehälter in den Besitz der Kontrollfirmen über.

Die landeten in deren Lkw und der fuhr zu den drei bekanntesten Luxusrestaurants in Santiago.

Ich weiß nicht, wie viel Geld man zum Schluss mit so einer Transaktion gemacht hatte.

Es war bestimmt nicht wenig – aber ehrlich gesagt war das Gefühl, hier mal wieder mit etwas Fantasie tätig gewesen zu sein, unbezahlbar.

Viva Chile Mierda

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