Der Amazonas

Die Wirklichkeit vor 50 Jahren

Hallo,

Ich bin der Opa von Nanda. Vor kurzem hörte ich von Nanda, dass sie in der Schule an einem Projekt mitmacht, wo es um den Amazonas geht.
Da ich selber viele Jahre am Amazonas gelebt und gearbeitet habe, habe ich ihr angeboten, hierüber etwas zu schreiben. Das mache ich jetzt gerne und vielleicht kann das eine oder andere, was ich hier jetzt über den Amazonas berichte, für euer Projekt interessant sein.

Die erste Frage, die jetzt kommt, ist natürlich:
Wie bist Du zum Amazonas gekommen und was hast du denn da überhaupt gemacht?

Die Antwort will ich gerne geben, auch wenn sie einige Sätze benötigt.

Meine Familie hatte in Hamburg ein Geschäft für den Import von Naturprodukten, darunter hauptsächlich Leder, Felle, Tierhäute, Federn, Därme und vieles mehr.

Die allermeisten dieser Produkte kamen aus Asien und Südamerika.
Ich wurde deswegen nach meiner Lehre von Hamburg aus nach Südamerika geschickt, um dort vor Ort Kenntnisse von den verschiedenen Produkten und deren Handel und Verarbeitung zu erwerben – außerdem um Sprache, Gewohnheiten sowie Land und Leute kennenzulernen.

Das fing damit an, dass ich eine längere Zeit in Argentinien in verschiedenen Schlachthöfen arbeitete, um mich mit dem Leder und den Häuten von Rindern, Schafen und anderen Tieren vertraut zu machen.

Als ich einigermaßen Spanisch gelernt hatte, wurde ich nach Brasilien geschickt, um dort bei Geschäftsfreunden zu arbeiten. Dabei lernte ich dann auch noch Portugiesisch.
Diese Geschäftsfreunde waren Deutsche, die vor über 100 Jahren, wie viele andere Deutsche auch, nach Brasilien auswanderten. Sie gründeten eine Gerberei in Südbrasilien, die es noch heute gibt.

Als ich dort einige Zeit gearbeitet und auch recht gut portugiesisch gelernt hatte, bekam ich von meiner Hamburger Firma den Auftrag, mich jetzt auf die Pelzfelle zu konzentrieren, insbesondere die Pelzfelle in Brasilien.

Pelze sind die Felle von Tieren, die man in Europa seinerzeit überwiegend für Mäntel, Jacken, Kragen, Mützen und Westen benutzte.
In dieser Zeit – es waren die Jahre 1965 bis 1975 – war das Tragen von Pelzen in allen europäischen Ländern völlig normal. Die allermeisten Frauen hatten irgendeine Pelzjacke oder einen Pelzmantel zuhause im Schrank.
Bei älteren Damen war es meistens ein Mantel aus Lammfellen oder aus anderen wärmenden Fell-Materialien.
Die Frauen, die in einer etwas besseren wirtschaftlichen Situation waren, hatten in ihrem Kleiderschrank dann Nerz-Mäntel oder Jacken oder Mäntel aus anderen edlen Pelzfellen wie zum Beispiel Otter, Luchs, Wolf oder Wildkatzen aller Art.
Und die Kinder liefen in den damals noch sehr kalten Wintertagen sehr oft mit Kaninfell-Jacken und dicken Lammfell-Schuhen herum.

Die jeweilige Mode – welche Pelze gerade gefragt waren – wurde sehr stark von den wenigen ganz großen internationalen Filmschauspielerinnen geprägt. Wenn zum Beispiel Sophia Loren oder Brigite Bardot oder Elizabeth Taylor zu einer ihrer Filmpremieren in irgendeinem exotischen Pelz-Umhang erschienen waren, wollten sofort Tausende von anderen Frauen so etwas oder zumindest so etwas Ähnliches auch haben.
Das muss man wissen, um Verständnis zu bekommen für die damalige Situation.

Der Pelzhandel in Brasilien war fest in der Hand von zwei großen und sehr reichen Familien, die in Sao Paulo oder Rio de Janeiro lebten und von dort aus ihre Waren in die ganze Welt verkauften, wobei in Europa ihre größten Kunden wohnten.

Da diese beiden Firmen aber zu jener Zeit anfingen, die europäischen Importeure auszuschalten und in Europa alle großen Kaufhäuser, wie zum Beispiel C&A, Karstadt und andere Kaufhausketten zu besuchen, um ihre Artikel dort „direkt“ zu verkaufen, hatte mein Vater die Idee, dass wir das dann auch machen sollten.

Also im Klartext sollte ich versuchen, in Brasilien Kontakt aufzunehmen mit den Menschen, die bisher an die beiden Familien in Sao Paulo und Rio de Janeiro lieferten.

Wie soll so etwas aber in der Praxis gemacht werden?
Ich selber war ein junger Mann, Mitte 20, und hatte natürlich in keiner Weise die Erfahrungen und die Kenntnisse, über die diese beiden großen Familien in ganz Brasilien verfügten.

Da blieb nur ein Weg übrig. Ich musste selber im Riesenland Brasilien herumreisen und versuchen, die Ware, die in Europa gesucht war, dann direkt am Ursprung zu finden und zu kaufen.
Und dieser Ursprung war in Brasilien der gesamte Norden, also im Grunde genommen das gesamte tropische und subtropische Amazonasgebiet.

Der größte Regenwald der Welt, die größten und kompliziertesten Wasserwege mitten im Dschungel – eine riesige Aufgabe in einem riesigen Gebiet.

Es gab damals keine einzige Straße im Amazonasgebiet. Alles ging per Schiff. Nur ganz wenige größere Ortschaften hatten einen kleinen Flughafen oder besser gesagt, oftmals nur eine kleine holperige Graspiste, die irgendwo in Flussnähe in den Urwald reingeschlagen wurde und wo kleine und kleinste Propellermaschinen starten und landen konnten.

Die beiden einzigen großen Städte waren Belem und Manaus.
Belem liegt direkt an der Mündung des Amazonas und Manaus, tausende Kilometer von der Küste entfernt mitten im Urwald.
Über die berühmte Stadt Manaus will ich hier jetzt nicht weiter berichten, das würde viel zu weit führen. Aber Manaus war für jeden, der irgendetwas im Amazonas suchen oder der dort arbeiten wollte, immer die Anfangsstation.

Ich kam also Ende der Sechzigerjahre zum ersten Mal in Manaus an und war ehrlich gesagt völlig auf mich allein gestellt.

Natürlich versuchte ich es zuerst ganz auf die deutsche Art. Also ab ins dortige Rathaus und gefragt, ob man Firmen kennt, die sich mit dem Ankauf und Verkauf von Pelzen und Fellen beschäftigen. Die Leute dort kannten nicht mal die portugiesischen Wörter der Tiere, die ich ihnen nannte.
Genauso die Handelskammer, auch hier konnte mir niemand irgendeine Auskunft geben.

Dann ging ich in einige Souvenirläden, wo alle möglichen regionalen Sachen ausgestellt waren. Viele ausgestopfte Vögel, Fische und schließlich auch kleine, für die Touristen zurechtgemachte Säugetiere – und die suchte ich.
Von dem Inhaber eines solchen Ladens bekam ich den Tipp, dass es unten am Hafen Leute gibt, die mit solchen Tieren irgendetwas machen.
Ich wusste nicht, ob es lebende Tiere waren oder was auch immer – aber ich wurde fündig.
Im Hafen von Manaus lagen über 100 kleine typische Amazonas-Dampfer. Es wurde alles Mögliche aus diesen kleinen Schiffen rausgetragen und wieder reingebracht.
Die berühmten Paranüsse, viele Gewürze, große und kleine Hölzer und in vielen Säcken und Kartons alle möglichen anderen Sachen.
Ich nahm mir ein Zimmer in einem kleinen Hotel in der Nähe dieses Hafens und verbrachte die nächsten Tage von morgens bis abends unten am Hafen. Schließlich hatte ich zwei oder drei Menschen kennen gelernt, mit denen ich oftmals den ganz starken brasilianischen Kaffee getrunken und auch mal das eine oder andere Bier zusammen gelutscht hatte – auf alle Fälle wusste ich jetzt, wie es weitergeht.

Das gesamte Gebiet in Amazonien ist ausschließlich vom Wasser aus erreichbar. Alle Indio-Dörfer, wo Pelze und Felle und sonstige Sachen gesammelt und verkauft wurden, mussten mit diesen kleinen Booten angesteuert werden.
Ich fuhr dann als nächstes immer einige Tage bei solchen Booten mit, um zu lernen, wie man den Amazonas von hier aus rauf und runter fährt. Wir hatten alle möglichen Sachen dabei, die den Indios verkauft oder eingetauscht wurden.
Das waren Kochtöpfe, Nähmaschinen, Salz und Pfeffer, Bier, Reis und Nudeln – von Streichhölzern bis hin zum T-Shirt war im Prinzip alles, was man verkaufen konnte, auf diesem schwimmenden Flohmarkt untergebracht. Es wurde dann per Boot an die kleinen Dörfer im mittleren und oberen Amazonas gebracht und dort verkauft und eingetauscht.

Zurück kamen die Boote oftmals voll geladen mit Para-Nüssen. Eine sehr schmackhafte Nuss-Art, die es nur in diesem Teil des Amazonas gab. Noch heute könnt ihr in jedem guten deutschen Lebensmittelgeschäft solche Paranüsse kaufen.

Irgendwann traf ich dann auch tatsächlich Indios, die etwas von den Pelzfellen und Wildschweinfellen, die mich besonders interessierten, wussten.

Und nach einigen Wochen hatte ich dann die ersten Expeditionen mitgemacht, die zu weit entfernten Dörfern am Ufer der Nebenflüsse des Amazonas führten und wo ich dann auch mit den dortigen Häuptlingen den ersten Kontakt hatte, um das zu kaufen, was mich interessierte.

Überraschend war für mich schon damals, dass auch in diesen ganz entlegenen Dörfern am mittleren und oberen Amazonas die Leute sehr genau wussten, was ihre Pelze und Felle wert waren.
Natürlich wussten sie nur die Preise, die ihnen bisher die beiden Familien aus Sao Paulo und Rio de Janeiro für diese Ware gezahlt hatten. Aber wenn ich den gleichen Preis bezahlen würde und vielleicht sogar noch etwas mehr, dann würden sie jetzt für mich ihre Sachen sammeln und aufbewahren und mir verkaufen, wenn ich das nächste Mal wiederkomme.

Auf diese Art und Weise baute ich im nächsten Jahr ein kleines freundschaftliches Netz mit Indio-Häuptlingen auf, die in den verschiedenen Gebieten des Amazonas die Pelze und Felle sammelten. Ich kam dann meistens einmal im Monat mit einem kleinen Amazonas-Dampfschiff an, kaufte die Ware und schickte sie am Schluss nach Europa.

Es waren im Prinzip nur drei oder vier verschiedene Pelztiere, die von meiner Sicht aus interessant waren. Drei Katzenarten: eine kleinere Wildkatze, die man Langschwanzkatze nannte. Dann eine etwas größere Wildkatzenart, die Ozelot hieß, und dann natürlich der berühmte Jaguar.

Dann gab es im Amazonas sehr große Mengen einer Tierart, deren Pelz vor über 100 Jahren hauptsächlich aus Kanada und Alaska kam, es war der Otter.
Der Otter lebt hauptsächlich im Wasser und der Amazonas mit seinen hunderten von Nebenflüssen war ein ideales Revier für diese Tierart.

Neben dem Amazonas-Otter gab es noch einen Riesen-Otter, man nannte ihn Ariranhas, er war sehr groß und sehr selten.

Und dann gab es noch ein Tier, das mich sehr interessierte – eine Art Wildschwein, der Name war auf Portugiesisch „Schweinchen mit weißem Halskragen“ – der richtige Name ist „Peccari“. Es handelt sich um eine Art, die um den Hals einen weißen Streifen hat. Sie lebten sowohl im Dschungel als auch in jedem Dorf der Indios, oftmals in Rudeln von 10-20 Tieren.
Das Fleisch wurde gegessen und die Haut – also die äußere Hülle des Tieres – wurde nach dem Schlachten abgezogen und getrocknet und aufbewahrt, um sie dann zu verkaufen.

Diese kleinen Wildschweine waren in Europa für die Lederproduktion sehr begehrt.
Je mehr ein Tier sich bewegt, desto dünner ist seine Haut, und je dünner die Haut ist, desto elastischer und anschmiegsamer ist auch das Leder, das man später daraus machen kann.
Ein dummes dickes Schaf, das die zehn Jahre seines Lebens nur auf dem Bauch auf der Weide liegt, hat nur noch eine dicke, aufgeschwommene Haut, mit der man nur noch Schuhsohlen oder Schulranzen machen konnte.
Ein dickes fettes Schwein, das in Europa in einem Stall geboren wird und sich danach auch praktisch nicht mehr viel bewegen kann, hat ebenso eine dicke fette Haut und diese Haut kann man später nur noch für einfache Stiefel und Lederschürzen benutzen.
Aber eine Haut eines solchen brasilianischen Amazonasschweins war ganz dünn, und die Frauen in ganz Europa liebten solch dünnes Wildschwein-Leder für ihre modischen Schuhe oder für ihre Lederjacken oder für die Handschuhe, es war ein gutes und wertvolles Leder.

Da ich den Handel mit den dortigen Pelzfellen erst einmal gründlich studieren musste – es ging da um sehr große Werte und eine falsche Entscheidung würde sehr viel Geld kosten – fing ich erst mal an, diese Wildschwein-Felle zu sammeln und nach Manaus zu bringen.
Von dort aus wurden sie in Ballen gepresst und direkt nach Europa verschifft, meistens nach Hamburg, wo meine Firma und meine Familie waren.

Nachdem die ersten Partien von diesen Peccari-Wildschweinfellen in Hamburg gut ankamen, war mein Vater überzeugt, dass ich dort am Amazonas nicht nur Blödsinn machte, sondern auch richtig etwas zu Stande gebracht hatte.

Diese Überzeugung war wichtig, denn bei den Pelzfellen, die ich als nächstes kaufen und nach Deutschland liefern sollte, war es alles viel komplizierter.

Es gab in jenen Jahren in Brasilien fast jedes Jahr neue Regierungen, oftmals auch Revolutionen von verschiedenen Militär-Einheiten.
Es gab Gewalt in jeder Form und die gerade an die Regierung gekommenen Militärs hatten sofort Angst vor einer neuen Revolution. Deswegen verboten sie allen Brasilianern, jede Art von Waffen zu besitzen. Die Jäger im Amazonas, die alle neben ihren Blasrohren auch Pistolen hatten, um sich gegen Schlangen und Kaimane zu verteidigen und die Gewehre hatten, um größere Tiere zu jagen – diese Jäger stellten in den Augen der Militärregierungen eine Gefahr dar, und deshalb verbot man gleich das gesamte Jagen im ganzen Amazonas-Gebiet.

Also musste ich die Pelzfelle dann aus Brasilien raus schmuggeln.
Das hört sich so einfach und abenteuerlich an, aber es war ganz schön anstrengend und schweißtreibend.
Ich musste die Pelze mit kleinen einmotorigen Flugzeugen aus Brasilien rausbekommen, in irgendeinem Nachbarland, wo der Handel mit diesen Artikeln nicht verboten war.

Zuerst versuchte ich es mit Wasserflugzeugen, aber das war zu auffällig und in den anderen Ländern – meistens in Paraguay – gab es kaum entsprechende Seen und Flüsse, wo diese Wasserflugzeuge landen könnten. Also dann normale kleine Propeller-Flugzeuge für 2 oder 4 Personen. Die Sitze wurden ausgebaut, sodass man genügend Platz für die Pelze hatte, die zusammen gebündelt dann einige Stunden lang neben dem Piloten lagen und ziemlich gestunken haben.

Auch wenn sich das jetzt alles recht abenteuerlich anhört und irgendwo ja auch abenteuerlich war- ich habe fast immer Glück gehabt.
Einmal, als ich etwas krank war und nicht selber mitfahren konnte, hatte ich ein kleines Amazonasschiff gemietet und dem Kapitän Geld gegeben, um die Ware bei den Indio-Häuptlingen zu bezahlen. Und dieses Boot ist nie wieder nach Manaus zurückgekommen. Das Geld und alles, was ich sonst noch auf dem Schiff als Tauschware hatte, war weg. Der Kapitän hatte alles, was er mit meinem Geld in den Dörfern eingekauft hatte, dann am Ende an jemand anderen verscherbelt an einen Kolumbianer, der dort ungefähr das gleiche machte wie ich. Aber dies war wirklich eine Ausnahme.

Noch ein Wort zu den Tieren selber:
Auch wenn es zuerst merkwürdig und unglaubwürdig klingt – es gibt am Amazonas nur sehr wenige Tierarten.
Der König des Dschungels ist der Jaguar. Er lebt als Einzelgänger und jeder Jaguar braucht ein sehr großes Gebiet zum Leben und Jagen. Von Jaguar-Fellen habe ich in einem ganzen Jahr vielleicht 50 80 insgesamt gesehen und gekauft, so selten wurde er selbst von den Indios gesehen.
Die Tiere, die im und am Wasser lebten, waren die große Mehrheit – aber für mich war vom Beruf her nur der Otter von Bedeutung.
Die anderen Wassertiere interessierten mich nicht, sie waren nur ein Erlebnis für die wenigen Touristen, die es damals in Amazonien gab.

Zum Beispiel der berühmte rosa Delphin oder der große Ameisenbär der allerdings nur am Rande von Amazonien vorkommt.
Oder das Faultier. Oder die Kaimane, eine Krokodilart.

Kaimane habe ich öfter bei den Indios gesehen, aber immer nur im Kochtopf. Sie schmecken nicht schlecht, haben aber unheimlich viele Knorpel und kleine Knochen, die man beim Essen immer wieder ausspucken muss.
Insofern gab es keinen Unterschied zwischen den vielen Fischen, die man in geräucherter oder gebackener oder gebratener Form fast täglich bekam. Auch diese Fische hatten unheimlich viele Gräten, und man war im Grunde genommen immer nur satt, wenn man ordentlich Reis oder Maniok, die Kartoffelart des Amazonas, dazu bekam.

Es gab dann im Urwald noch ein großes Tier, das Tapir.
Das Tapir lebt äußerst zurückgezogen und ist entsprechend selten im Urwald zu finden. Ein Tapir ist für die Indios eine lebende Fleischfabrik. Wenn Sie einmal einen Tapir gefangen hatten, hatte das Dorf für die nächsten 4 Wochen jeden Tag Fleisch, denn so ein Tapir besteht im Grunde genommen aus einer ganz großen Menge Fleisch mit einem kleinen Kopf und vier Beinen.
Da wir schon beim Essen sind: Was man sonst noch bei den Indianern gegessen hatte waren viele verschiedene Früchte, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnere, und da es die meisten dieser Früchte auch nur im Amazonas gab, würden diese Namen heute hier auch nichts aussagen. Aber sie waren sicherlich gesund und vor allem kostenlos.

Einige Indio-Stämme etwas weiter am oberen Amazonas gingen noch mit Blasrohren auf die Jagd. Ich habe gesehen, wie sie die giftigen Curare-Pfeile vorbereiteten, um dann damit durch ein langes Blasrohr zu versuchen, einen Affen aus den Kronen der Wälder herunter zu schießen.
Die Wälder des Amazonas sind alle sehr, sehr hoch und die meisten Affen leben oben in den Kronen der Bäume. Da haben sie keine Feinde außer vielleicht eben die Giftpfeile der Indios.
Unten auf dem Boden haben die Affen viele Feinde, besonders an den Wasserstellen, wo sie zum Trinken hinmüssen. Jaguar, viele verschiedene Schlangen, Kaimane, Fischer und Jäger – alle freuen sich alle über einen guten dicken fetten Affen.

Es gab dann noch eine Art Wasserschwein, das Capivara.
Es ist das größte Nagetier der Welt, aber das Fell ist für die Gerberei in Europa nicht interessant, es ist sehr weich, geht schnell kaputt und das Fleisch schmeckt auch nicht besonders – insofern habe ich mich mit diesen Capivaras nicht viel beschäftigt.

Und alle anderen Tierarten kann man praktisch aufteilen in zwei Gruppen: entweder sind es Vögel der verschiedensten Art oder Fische von ganz klein bis riesengroß. Die berühmten Piranhas habe ich natürlich auch viel gesehen und es war schon erstaunlich, wie in fast jedem Indiodorf die Kinder im Amazonas planschten, spielten und daneben schwammen große Schwärme von Piranhas. Die Piranhas gehen ausschließlich in den Angriff über, wenn sie Blut riechen. Deswegen durften die Kinder nur dort baden, wo es sehr seicht und flach war und wo es kaum Verletzungsmöglichkeiten gab.

Ich habe die Piranhas öfter im Kopftopf und auf dem Ess-Teller gesehen als im Wasser.

Die Manatis, eine besondere Art der Amazonas-Seekühe, habe ich selber nie gesehen.

Ich habe dann nach einigen Jahren selbst angefangen, einige Expeditionen auszurüsten. Das bedeutet, man mietet sich ein Boot mit einem Kapitän und einer kleinen Mannschaft von zwei oder drei Leuten für drei oder vier Wochen und damit bin ich dann den oberen Amazonas rauf und runter gefahren und habe die Indio-Dörfer besucht, die mich inzwischen gut kannten und wo ich dann sowohl die begehrten Wildschwein-Peccari-Schweinefelle als auch die noch schöneren und begehrteren Pelzfelle bekam.

An bösen Menschen oder an Konfliktsituationen gab es wenig. Es gab Waffenhändler und es gab Drogenhändler, aber diese bewegten sich in anderen Kreisen.
Es waren zwar Schmuggler wie ich selber, aber ich war eben der Gute, weil ich alle meine Ware brav bezahlte und die anderen waren dann die Bösen..

Im Laufe der Zeit fing auch im Urwald des Amazonas die Marktwirtschaft an. Ich sah es an einem kleinen aber typischen Beispiel:

Als die Indios merkten, dass ich an diesen Fellen der Wildkatzen interessiert war, fingen sie an, kleine Fallen zu basteln. Im Prinzip war es eine einfache Art von Mausefalle, nur größer. Sie bastelten mit Holz und Palmblättern einen großen Kasten mit einer einfachen Klapptür als Eingang. Dann legten sie ein bisschen altes Schweine- oder Hühnerfleisch, gemischt mit Fischgräten, in die Falle.

Alle Katzen sind nachtaktiv. In der Dämmerung oder nachts kamen dann die kleinen und größeren Wildkatzen, angelockt vom Duft des Köders.
Die Kinder oder die Erwachsenen, die dann nachts auf einem Baum über dem Kasten saßen und auf den Besuch der Katzen warteten, brauchten nur noch die an einem Band befestigte Klappe fallen lassen, und das Tier war gefangen.

Das Fleisch haben sie nicht gegessen, das bekamen die Hunde und Schweine. Aber das Fell haben sie mir später verkauft, und so haben viele Indios in ihren kleinen Dörfern etwas Geld verdienen können, auch um zum Beispiel ihre Kinder später auf eine Schule in Manaus schicken zu können.

Ich habe natürlich noch viele kleine und größere Abenteuer am Amazonas erlebt.
Aber für den Anfang denke ich, dass ich etwas erzählen konnte, was man in dieser Form nicht so oft zu lesen bekommt.

Und damit möchte ich meinen kleinen Bericht über den Amazonas abschließen.

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