BBO – Bridge by Ossi

Meine Schwester Anja lebte viele Jahrzehnte in Südafrika.
Überwiegend in der Zeit der Apartheid.

Das bedeutete für sie, dass es kaum soziales Leben gab.
Wenig soziale Kontakte.

Wenn man irgendwo hinfuhr – und sei es nur, um die Kinder zur Schule oder zum Sport zu fahren – so waren es fast immer große Strecken, die für eine Frau in jener Zeit nicht ungefährlich waren.

Insgesamt eine heute kaum noch vorstellbare Isolation, nicht nur der schwarzen, sondern auch der weißen Bevölkerung in diesem Land.

Eine der wenigen Freizeitaktivitäten, die man in Johannisburg zu Hause machen konnte, war nach Einführung des Internets das Bridge-Spielen am Computer.

Es gab damit die Möglichkeit, von zu Hause aus international Bridge zu spielen. Man war eben über das Internet mit tausenden von anderen Spielern verbunden.

Die bekannteste Plattform für so etwas war „Bridge Base Online“ – abgekürzt BBO. Angeblich sollte diese Internet-Plattform von Bill Gates gesponsert sein, einem ebenfalls begeisterten Bridge-Spieler.

In den nächsten Jahren lernte Anja auf diese Art und Weise eine größere Gruppe von ebenfalls Bridge spielenden Menschen im Internet kennen – und da man bei diesem Internet Bridge nicht nur spielen, sondern sich auch gleichzeitig per Chat unterhalten kann, bestand ihre Bridge-Gruppe nach kurzer Zeit überwiegend aus Deutschen, Österreichern und Schweizern.

Ich selber hatte von dieser ganzen Bridge-Entwicklung und dem Internetspielen überhaupt noch nichts mitbekommen. Ich spielte zu dieser Zeit Bridge mit meinen Eltern und einigen Freunden meiner Eltern – die froh waren über jeden Moment, wo sie etwas Abwechslung in ihren alten Tagen erleben konnten.

Diese Internet Bridge Verbindung meiner Schwester war dann aber der Anfang einer Entwicklung, die uns allen sehr viel Spaß gemacht hat.

Anja kam vor gut fünfzehn Jahren zurück nach Deutschland mit der festen Absicht, jetzt einmal einen größeren Teil der Menschen, mit denen sie schon jahrelang am Computer Bridge gespielt hatte – diese Menschen jetzt also einfach mal „in echt“ zu erleben.

Sie bastelte sich eine Reiseroute quer über Deutschland, Österreich und die Schweiz und klapperte froh und lustig einen Großteil von Menschen ab, die sie bisher nur als Buchstaben im Computer kennengelernt hatte.

Diese Idee fand ganz großen Anklang und am Ende dieser Reise wurde beschlossen, dass man das persönliche Treffen doch unbedingt fortsetzen sollte.

Das war der Beginn einer schönen Zeit. In den nächsten zehn Jahren gab es dann jedes Jahr einmal irgendwo in Deutschland ein Treffen, zu dem alle immer wieder gerne kamen. Die Treffen begannen bei uns in Hamburg und wurden dann jedes Jahr neu irgendwo in Deutschland.

Ganz im Süden in München, ganz im Norden in Kiel, ganz im Osten in Ostfriesland in der Mitte oftmals und ganz besonders gerne in Paderborn und vielen anderen schönen Städten.
Das, was meine liebe Schwester Anja damit initiiert hatte, war ein Glücksfall- denn wenn man im Internet mit jemandem spielte, den man auch persönlich kannte, war es doch schon ein ganz anderes Erlebnis.

Inzwischen sind jede Nacht zwischen 10.000 und 20.000 Spieler auf der ganzen Welt auf dieser Plattform und man spielt natürlich entsprechend praktisch nur mit Unbekannten.
Es hat sich auch eine eigene Sprache in diesem BBO entwickelt.

Man hat während des Spiels schon alle Mühe, sich genügend auf das Spiel zu konzentrieren und gibt deswegen nebenbei im Chat nur das Allernötigste und Allerwichtigste von sich.

Dadurch ist eine Abkürzung und Geheimsprache entstanden, die ich selber genau wie jeder, der dort anfängt, zuerst überhaupt nicht verstand.

Mit der Zeit waren mir die wichtigsten Abkürzungen und Begriffe bekannt.
Ich habe mich dann aber hingesetzt und so weit wie möglich alles gesammelt, was man auf diesem Gebiet finden konnte. Und die gesammelten Abkürzungen – also diese Art Geheimsprache – habe ich jetzt hier auf einer extra Seite noch mal für diejenigen zusammengefasst, die weiterhin im BBO spielen und sich dort schnell und auf ihre Art und Weise verständigen müssen oder möchten.

Da ich selber inzwischen jedes Jahr viele Monate in der dominikanischen Republik lebe und es dort praktisch keine Möglichkeit gibt, mit lebenden Personen an einem richtigen Tisch zu spielen, bin ich auch selber immer noch auf das BBO angewiesen, respektive spiele dann relativ häufig dort.

Aufgrund der Zeitverschiebungen von 5-6 Stunden allerdings kaum mit europäischen Freunden und Partnern, sondern überwiegend mit Menschen, die in der gleichen Zeitzone, also irgendwo zwischen Kanada und Argentinien leben und im BBO spielen.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich nach jetzt bald 20 Jahren Erfahrung im Turnierbridge doch das Spiel mit Menschen am richtigen Tisch im richtigen Club dem anonymen Internetspiel vorziehe.

Aber es ist schon eine schöne Sache, dass man das BBO als Alternative jederzeit zur Verfügung hat.

Weil jeder im BBO unter einem Pseudonym oder einem Nickname spielt, hatte ich mir am Anfang den Namen Ossi-Boy ausgedacht.

Ich war der Meinung, es würde helfen, den Frust und die Resignation der anonymen BBO-Partner etwas zu lindern, wenn sie mit mir spielten.

Diese Hoffnung war aber trügerisch.

Kaum ein Bridge Spieler assoziierte den Begriff Ossi mit der DDR und mit der erhofften Einsicht, dass man in der DDR vieles spielte, aber praktisch kein Bridge.

Irgendwann wurde dieses Pseudonym dann auch von anderen Begriffen abgelöst, die hier keine Rolle spielen, einigen Freunden und Bridge-Partnern aber sicher noch bekannt sind.

Nachsatz: Weitere Infos zum Thema Bridge bei Ossi gibt es auch in der Bridge-Geschichte „Das Regelbuch“ im dortigen letzten Kapitel.

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