Die Geschichte vom Geld

Das Haus

Ja, meine liebe kleine Enkelin, die erste Geschichte des Geldes hatte ich Dir erzählt, als Du gerade fünf Jahre geworden warst.

Inzwischen bist Du stolze 8 Jahre alt und gehst schon seit fast 3 Jahren zur Schule.

Jetzt erzähle ich dir den zweiten Teil dieser Geschichte.

Und wenn Du irgendwann mal elf Jahre alt bist, den dritten und wohl auch letzten Teil
Bis dahin bleib gesund und pass gut auf.

Der alte Mann

Der alte Mann war müde.

Er hatte den Menschen in seinem kleinen Dorf geholfen und für sie das Problem des Tauschens gelöst. Jetzt hatten alle ein oder zwei oder mehrere kleine Goldklumpen in der Tasche ihrer Jacke oder ihrer Hose.

Sie brauchten nicht mehr die großen schweren Säcke mit sich herumschleppen, um diese als Tauschobjekt zu benutzen. Das ging jetzt viel einfacher mit diesen kleinen Goldstückchen.

Probleme

Aber was passierte, wenn jemand nur einen kleinen Teil tauschen wollte, der wesentlich weniger wert war als seine ganzen Goldstückchen?

Und was passierte, wenn es aus irgendeinem Grund mal Streit gab, bei dem zwei oder mehrere junge Männer anfingen zu raufen oder aus irgendeinem Grund zwei oder drei oder mehrere Frauen urplötzlich anfingen zu beschimpfen und an die Kleider zu ziehen – und bei solchem Gedränge fielen dann womöglich einige Goldstückchen aus den Hosen oder Röcken und lagen durcheinander auf dem Fußboden?

Niemand konnte dann sagen, wer wie viele Goldstücke hatte, bevor der ganze Schlamassel anfing.
Das war nur ein einzelner kleiner Gedanke, der dem alten Mann durch den Kopf ging.

Goldstaub

Wenn man zum Beispiel ein Goldstückchen in der Küche mit einer Reibe bearbeiten würde, dann würde man unter der Reibe auf dem Tisch nach einiger Zeit viel Goldstaub finden.
Dieser Goldstaub ist in der Menge genauso viel und genauso wertvoll wie das einzelne Goldstückchen- aber niemand kann es genau einschätzen.

Und auch die Möglichkeit, dass jeder sein Goldstückchen mit irgendeinem Symbol oder einer Nummer oder einem Zeichen bearbeitet, sodass es erkenntlich ist, dass es ihm gehört – auch das war viel Arbeit und wohl wenig Erfolg.

Und wenn am Sonntagvormittag alle gemeinsam in der Kirche waren und zum Schluss jeder ein klein bisschen spenden sollte, dann waren die wenigsten bereit, eines ihrer kostbaren Goldstückchen in den Beutel zu schmeißen.

Da konnte der Pfarrer so viel reden wie er wollte.

Die Schule

Der alte Mann überlegte und ging dann in die kleine Schule, in der die zehn oder elf Schülerinnen und Schüler das lernten, was sie später im Leben brauchten.

Mehr Schüler gab es nicht in diesem kleinen Dorf- dafür lernten diese aber ganz viel von den verschiedensten Dingen, die sie später brauchen würden.

Er besprach seine Gedanken mit dem Lehrer, mit dem er seit vielen Jahren befreundet war und der neben ihm zu einem der klügsten Köpfe des Dorfes gehörte.

Schließlich, nach langem Überlegen, einigen Gläsern Wein oder Met und kurz bevor die Sonne wieder aufging- da hatten sie einen Plan gefasst.

Der Plan

Der Lehrer besorgte sich ein leeres Heft mit ganz vielen Linien auf jeder Seite.

Normalerweise lernten die Schüler mit solchen Heften das Schreiben und manchmal auch das Rechnen.

Der Lehrer gab seinen drei ältesten Schülern die Aufgabe, in diesem Heft fein säuberlich untereinander in allen Zeilen die Zahlen von 1 bis 999 aufzuschreiben.

jede Reihe mit der nächsten Zahl- also insgesamt 999 Zeilen.

Voll geschrieben

Nach drei Tagen war das kleine Heft säuberlich mit diesen Zahlen voll geschrieben.
Dann bat er die Leute aus seinem Dorf zu einer kleinen Versammlung.

Er erklärte ihnen, dass sie in Zukunft besser und angenehmer sich das besorgen können, was sie gerne haben wollen- und dass sie nicht immer ihre Goldstückchen dabei haben brauchen.

Erklärung

In dem Dorf lebten alles zusammen ungefähr 300 Menschen und ungefähr genauso viele Tiere.

Bei den Menschen waren es ungefähr die Hälfte Männer und Frauen und der Rest verteilte sich auf Babies, Kinder und alte Leute, von denen man nicht genau wusste, ob sie Männer oder Frauen waren, weil sie kaum noch aus dem Haus gingen.

Bei den Tieren war das einfacher.

An der Größe des Geruchs konnte man schnell erkennen, ob es sich um Hunde, Katzen, Kühe, Esel, Tauben, Schweine oder Hühner handelte. Aber um die Tiere ging es jetzt nicht.

Der alte Mann erklärte dann folgendes:

Jeder, der möchte, kann ab morgen seinen Goldklumpen bei ihm abgeben und er bekommt dafür ein ordentliches Stück Papier, auf dem genau aufgeschrieben ist, wie schwer der Goldklumpen war und wem er gehörte.

Also, um es einfach an einem Beispiel zu sagen- Karoline bekommt ein Papier mit der Nummer 176, auf dem ihr Name und dann noch eine Zahl eingetragen sind.

Diese Zahl war das Gewicht des Goldstücks, nachdem es genau gewogen war.

In diesem Fall zum Beispiel steht dann eine 5 dort, weil das Goldstück von Karoline fünf Gramm gewogen hatte.

Auf diese Art und Weise hatte jetzt jeder Bewohner des Dorfes, wenn er Inhaber eines Goldstückchens war, für sein Goldstück ein Papier, das genauso viel wert war wie das Gold, das er dafür eingetauscht hatte.

Garantie

Und der alte Mann fügte hinzu:

Wer irgendwann sein Papier wieder in Gold umtauschen möchte, kann dies jederzeit bei mir machen- ich garantiere, dass er genau die Menge an Gold wieder bekommt, die er hier beim ersten Tausch abgegeben hat.

Die Menschen im Dorf verstanden zuerst nicht genau, was das Ganze sollte.

Aber sie vertrauten dem Alten, der schon öfter bewiesen hatte, dass er wesentlich weiter und tiefer denken kann als der Rest der Menschen dieses kleinen Ortes.

Akzeptiert

Man akzeptierte seinen Vorschlag und in den nächsten Tagen wurden viele kleine Goldstückchen genau gewogen, Papiere ausgestellt und die Leute dachten, dass damit alles erledigt sein würde.

Aber leider hatte man ein Problem völlig vergessen.

Wenn als Beispiel Solefix, der Schuster, mit seinem Papier jetzt zu Ladefix, dem Dorfladen-Besitzer ging, um sich fünf Eier zu besorgen, so war sein Stückchen Papier viel mehr wert als der Wert der fünf Eier, die er benötigte.

Und nun?

Und der gute Ladefax wusste auch nicht, was er dann machen sollte.

Er bot Solefix an, ob er nicht vielleicht 115 Eier nehmen würde, denn das war ungefähr der Wert von dem Papier, das der Schuster Solefix sich führte für seinen Einkauf.

Die beiden gingen zum alten Mann und sagten, dass sie ein Problem hätten, das sie nicht lösen können.

Denkfix

Es war Sommer, es war warm und die meisten aller Fenster im Dorf waren weit geöffnet.

Draußen im Garten vor dem Fenster des alten Mannes saß das kleine Denkfix und guckte verträumt in die Landschaft.

Er war wie fast immer als Erster mit seinen Schularbeiten fertig, denn er konnte besser und schneller denken als die meisten seiner Mitschüler.

Er langweilte sich jetzt ein bisschen und überlegte, ob er sich irgendwo ein paar Äpfel von einem Baum holen sollte- als er hörte, wie durch das offene Fenster der Schuster Solefix und der Kaufmann Ladefax dem alten Mann ihre Probleme schilderten.

Die Lösung

Denkfix hörte sich das ganze einige Minuten lang an.
Dann hatte er begriffen, um was es ging.

Und nach weiteren wenigen Minuten hatte er schon die Lösung.

Er ging rein in die Stube, wo die drei alten Menschen am Tisch saßen, um ihr Problem zu besprechen.

Er sagte, er würde das Problem lösen können.

Und das ganze sei ganz prima für das Dorf und für alle, die hier leben würden.

Die drei ratlosen Männer sahen Denkfix ziemlich erstaunt an- denn er war gerade mal zehn Jahre alt, konnte aber schon sehr gut Lesen und Schreiben und vor allen Dingen gut rechnen.

Der Vorschlag

Gebt mir zwei Tage Zeit, ich muss mir einiges besorgen und dann löse ich euer Problem – das war die Antwort von Denkfix.

Und da die drei älteren Menschen selber keine Ideen hatten, sagten sie nur: „Einverstanden“ und warteten darauf, was passieren würde.

Vorbereitungen

Denkfix lief in die nächste größere Stadt.

Er kaufte sich dort so viele Hefte mit den durchgezogenen Linien wie er finden konnte, eine Schere, eine Kerze, ein bisschen Wachs, einen großen Löffel und einen Stempel.

Noch in der gleichen Nacht fing er an, die Mehrzahl der Hefte zu zerschneiden.

Er riss zuerst aus einigen Heften alle Seiten heraus.

Dann zerschnitt er jede einzelne Seite in 2 gleiche Teile.
Beide gleich groß.

Bei den nächsten vier Heften teilte er jede Seite mit der Schere in vier Teile, sodass diese Papierstückchen kleiner waren.

Und bei den letzten sieben Heften teilte er jede Seite dann in acht gleiche Teile, die entsprechend noch kleiner waren als die Teile davor.

Die Arbeit

Auf die kleinsten Teile malte er sorgfältig auf jede Ecke jedes kleinen Schnipsels eine 1

Auf die Teile, die etwas größer waren, malte er auf jede Ecke eine 2.

und auf die nächstgrößeren Papierstückchen eine 5

und auf die wenigen allergrößten Teile eine 10.

Dann zündete er die Kerze an, erwärmte darüber den großen Löffel, den er ebenfalls mit eingekauft hatte und schüttete etwas Wachs in den Löffel.

Der Wachs fing an zu schmelzen.

Und als er richtig flüssig war, tröpfelte er ein kleines Stückchen flüssiges Wachs auf jedes Papier, das er vorher vorbereitet hatte.

Der Wachs hatte eine rote Farbe, denn an sich durften nur die Menschen aus dem Fürstenhaus und einige, die in der Bibliothek der Kirche arbeiteten, so ein Wachs benutzen.

Aber das wurde hier nicht so genau genommen.

Der Stempel

Bevor der flüssige Wachs-Klecks auf den Papierstückchen trocknete und erstarrte, nahm der schlaue Denkfix seinen kleinen Stempel, auf dem auf der Unterseite die Buchstaben DF ziemlich miteinander verschnörkelt eingeritzt waren.

Diesen Stempel drückte er dann auf jedes Tröpfchen Wachs, das kurz vor dem Erstarren war.

Die beiden verschnörkelten Buchstaben DF hatte er sich ausgesucht als Abkürzung für seinen Namen Denkfix.

Fertig

Diese ganze Arbeit dauerte zwei Tage und eine halbe Nacht.

Dann war er fertig und es fehlte nur noch ein schöner Name für das ganze.

Es war Sommer, es war warm und zu dieser Jahreszeit schien die Sonne viele Stunden am Tag.

Er hatte in der Schule von dem alten Lehrer einige Wörter aus einer anderen Sprache gelernt, die früher in ihrem Land und auch in anderen Ländern gesprochen wurde. In dieser Sprache hieß die Sonne „sol“- und bei dem gerade nichts Besseres einfiel, entschied er sich dafür, das Papier-System, das er sich gerade ausgedacht hatte, so ähnlich zu nennen.

Und so wurde der SOLI geboren.

Der Solis

Er schrieb auf alle Papiere, wo eine 1 aufgeschrieben war, das Wort SOLIS dahinter.

Und auf allen anderen Papieren, auf denen zwei oder höhere Zahlen standen, ebenfalls das gleiche Wort SOLIS- er hatte nämlich beschlossen, dass dieses Wort gleich ist in Einzahl und Mehrzahl.

Jetzt hatte er alles beieinander und brauchte nur noch abzuwarten, was sich in dem kleinen Dorf tun würde.

Der Platz

Es gab in der Mitte des Dorfes einen größeren Platz, wo die Kinder spielten und wo im Sommer auch viele Menschen auf und neben diesem Platz saßen, um den Feierabend zu genießen.

Am Rande dieses Platzes wohnte bis vor kurzem die alte Luise.

Irgendwann kam sie nicht mehr aus ihrem Haus und man fand sie mit einem ruhigen aber zufriedenen Lächeln im Gesicht in ihrem Schlafzimmer, wo sie wohl vor kurzem eingeschlafen und verstorben war.

Seitdem stand das Häuschen leer, denn die alte Luise war einer der ganz wenigen Menschen im Dorf, die nicht verheiratet waren und keine Kinder und keine Verwandten hatten.

Das Haus

Denkfix ging zum alten Mann und zum Lehrer und auch zum Bürgermeister und fragte, ob er dieses kleine Häuschen für einige Zeit benutzen könne, denn er wolle etwas machen, was dem ganzen Dorf eine große Hilfe sein wird.

Mehr verriet er nicht, aber das war schon genug, um die Erlaubnis zu bekommen.

Als letztes stellte er dann ganz früh am Morgen zwei lange dicke feste Bänke vor das Haus und legte auf jede Bank sechs Kissen, denn so viele Personen konnten auf einer Bank sitzen.

Der alte Mann ahnte inzwischen, was Denkfix sich da ausgedacht hatte.

Nicht alles war ihm klar, aber genug, um zu erkennen, dass Denkfix eine schöne Idee gut umsetzen würde.

Die Versammlung

Am Nachmittag, kurz vor der Abendbrotzeit, gab es dann eine kleine Versammlung auf dem Platz.

Denkfix sagte zu den Leuten, dass sie ab morgen früh ihre Papiere bei ihm umtauschen können.

Und zwar in vielen anderen kleineren Papieren, auf denen jeweils der Wert eines neuen Papiers mit einer genauen Wertangabe stehen würde.

Wer ein altes Papier als Beispiel über 20 g Gold hat, der würde dafür 20 Soli bekommen und zwar so wie er möchte.

Ein Teil in kleinen Solispapieren, jeder Schein mit 1 Solis auf dem Papier.
Einen anderen Teil in etwas größeren Zwei-Solis-Scheinen oder wenn er möchte dann auch ein fünf- oder ein zehn-Solis Papier – und mit diesen Papieren kann dann jeder genau das kaufen und bezahlen, was er möchte und was er zu bezahlen hat.

Der Umtausch

Die Menschen verstanden nicht so ganz in diesem Moment, was das ganze bedeuten würde, aber da sie davon ausgingen, dass der alte Mann zustimmend genikt hatte und als Denkfix seine Erklärung abgab, da vertrauten sie den beiden.

Am nächsten Morgen kamen schon ganz früh die ersten zu dem Häuschen, um ihr Papier umzutauschen.

Denkfix ließ immer nur eine Person zurzeit in das Haus rein.

Die anderen mussten draußen warten, dafür hatte er ja die Bänke aufgestellt.

Am späten Vormittag war die Schlange größer als die Plätze auf der Bank.

Wer spät kam, musste entweder lange warten oder wieder nach Hause gehen, um zu einem späteren Zeitpunkt zu versuchen, einen Platz auf der Bank zu bekommen.

Die ganze Umtauschaktion dauerte mehrere Tage.

Denkfix musste zwischendurch sogar noch einige weitere Hefte organisieren, weil er nicht mit so einem Ansturm gerechnet hatte.

Die Bank

Und die Bewohner des Dorfes hatten einen neuen Spruch, wenn sie zum Ausdruck bringen wollten, dass sie zu Denkfix gehen:

Sie sagten einfach „ich geh zur Bank“, denn sie wussten, dass sie dort warten würden.

Und der nächste sagte: „Ich war schon auf der Bank“

Und ein anderer sagte, ist das nicht ein bisschen gefährlich, wenn wir erst unsere Goldstückchen in ein Papier tauschen und dann das Papier zur Bank geben?

Der alte Man hörte diesen Satz und fing ein bisschen an, im Kreis zu gehen.

Das machte er immer, wenn er nicht ganz sicher war, was er da wieder mal angerichtet hatte.
Er fragte sich ganz leise, ob das man gut gehen würde, hier jetzt mit der Bank und den Papieren und den Leuten und dem Gold, mit dem alles anfing..

Aber das wiederum ist eine andere Geschichte.

Der Name aber, der von da ab von jedem benutzt wurde, der etwas mit Geld zu tun hatte, dieser Name war geboren und es gibt ihn bis heute- die Bank.

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