Eine Küche in der Karibik

Aus dem Tagebuch eines älteren Cholerikers

Wenn das die Lösung ist, möchte ich mein Problem zurück
Sticker, der in der Domrep auf die IKEA-Möbel nach erfolgter Montage geklebt wird

Ein kleiner Bericht zum Thema IKEA Küche.

Im Prinzip sind wir mit allem, was passiert, zufrieden.
Sofern man nach dominikanischer Zeitvorstellung zufrieden sein kann.

Wir haben in Bavaro, dem Ort, in dem wir in der Dom Rep leben, seit 3 Jahren eine eigene IKEA-Niederlassung. Man kann dort das gesamte Sortiment bestellen, es wird dann über Nacht von der 200 km entfernten Hauptstadt angeliefert. Meine liebe Frau und Chefin hatten zu Weihnachten – weil ich mal wieder nichts vorher gekauft hatte – einen Zettel mit der Zusage für eine neue Küche in unserer Wohnung in der Karibik als Geschenk ihres Pflegefalls bekommen. Wir hatten daraufhin in der Dom-Rep einen Küchenexperten von Ikea kommen lassen, der hieß ganz einfach der Dicke. Er maß alles aus und wir einigten uns ziemlich schnell auf Farben, Qualitäten und alle Details dieser neuen Küche.

Bis auf 3 oder 4 Kleinigkeiten war alles im Zentrallager bei IKEA in der Hauptstadt Santo Domingo auf dem Lager vorrätig. Wir bestellten und es wurde alles im Voraus bar bezahlt- sonst passiert in der Dom Rep überhaupt nichts. Liefer- und Montagetermin sollte 4 Tage später sein, in maximal einer Woche dann sollte alles fertig installiert sein.

Es fängt damit an, dass keiner kam.

Nachdem auch trotz diverser Zusagen in den nächsten beiden Tagen niemand kam, fing ich an, mich bei IKEA unbeliebt zu machen. Dann kamen endlich, nach diversen Besuchen und Beschwerden bei der IKEA-Niederlassung in unserem Wohnort, an einem Sonnabend zwei Jungs, die sehr gut und schnell und ordentlich arbeiteten. Sie sollten Sonnabend, Montag und Dienstag durcharbeiten und alles fertig machen.

Da diese beiden Jungs wohl auf Gewalt und Kommando von der Zentrale in der Hauptstadt Santo Domingo abdisponiert worden waren, weil ich sonst die Küche insgesamt storniert hätte, wollten die beiden natürlich ihr Wochenende irgendwie auch haben. Sie sind dann am Sonnabendabend zurück nach Santo Domingo gefahren und haben Sonntag und Montag ihr ausgefallenes Wochenende mit ihrer Familie nachgefeiert.

Am Montag kam also wieder mal niemand. Ich reklamierte im noch einigermaßen freundlichen Ton, weil ja jetzt immerhin schon einmal ein Anfang gemacht worden war. Mir wurde gesagt, am Dienstag geht’s dann weiter.

Dienstagmorgen kam tatsächlich einer von den beiden, der andere würde dann später kommen. Der zweite ist überhaupt nicht mehr gekommen, das machte aber nicht viel, denn der eine hat sehr viel auch alleine geschafft. Das war also am Dienstag, und danach passierte etwas typisch dominikanisches: nämlich nichts.

Ich hab dann wieder einen kleinen Bericht an Ikea gemacht und geklagt, dass wir nicht wissen, wie es jetzt weitergeht.

Am nächsten Tag erschien bei uns zu Hause die Dicke von IKEA. Er ist gleichzeitig der Küchenchef von IKEA und wollte sich ansehen, was inzwischen gemacht worden war. Er machte es auf altromisch oder auf eine Mischung von römisch und dominikanisch gemäß des bekannten Wortes „Veni- Vidi- Vici“. Die normale Übersetzung davon lautet „er kam, sah und siegte“ und die dominikanische Variante ist entsprechend „er kam, sah und haute wieder ab“.

Mit seinem Versprechen, innerhalb weniger Tage oder Wochen sei alles geschafft, schloss ich ihn dann dankbar und demütig in mein Nachtgebet mit ein.

Das Video, das ich vom Fragment der Küche zu diesem Zeitpunkt gemacht und ins Internet hochgeladen hatte, wurde dann postwendend vom Provider wegen äußerst anstößiger Kommentare gelöscht. Die Küche beschäftigte mich also im wahrsten Sinne des Wortes Tag und Nacht. Dass es eine unendliche Geschichte werden würde, war mir nach einigen Tagen oder besser gesagt Wochen schon klar – nur hatte ich keine richtige Idee, in welcher Form es passieren würde.

Inzwischen hatte sich herauskristallisiert, dass die Leute bei IKEA an sich recht ordentlich, zuverlässig und auch hilfsbereit sind. Das große Problem ist die Installationsfirma, mit der IKEA zusammenarbeitet. Die hat die Exklusivität für alle Einbauten, die die Kunden bei IKEA mit bestellen, immer gegen saftige Aufpreise. Nur schafft diese Firma mit Ihren 10- 20 Monteuren, je nach Tageszeit, nur einen Bruchteil der Aufträge, die sie von IKEA respektive den Endkunden bekommen.

Und so jagen ihre Monteure Tag und Nacht durchs Land oder auch nicht.

Diese Installationsfirma in Santo Domingo arbeitet mit verschiedenen Gruppen, immer zwei Leute aus dem gleichen Arbeitsgebiet bilden eine Gruppe. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir es immer nur mit der Gruppe der Tischler oder der Holzarbeiter oder wie immer man es nennen soll zu tun. Es sollten dann noch die Gruppen der Marmorarbeiter und die der Elektriker kommen.

Als jetzt nach 2 Wochen die Holzarbeiter-Monteure einigermaßen fertig waren, sollten die Experten der Marmor-Abteilung kommen, die die ganzen Arbeitsplatten vor Ort schneiden und montieren mussten. Ich selber konnte die Installationsfirma nicht wechseln, denn sie hatte einen Exklusivvertrag mit Ikea und wenn andere Leute irgendetwas machen sollten, würde die Garantie von IKEA sofort erlöschen. Das war mir von Anfang an bewusst und somit war ich an die Installationsfirma auf Gedeih und Verderben gebunden.

Auf Gedeih ging gar nichts, man konzentrierte sich seitens der Montage-Firma deswegen auf den zweiten Teil der Vereinbarung und der hieß Verderben.

Irgendwann erschienen zwischendurch dann auch noch nach einigen Wochen 2 nette, unbedarfte, junge Monteure, der eine sagte, er sei Elektriker. Sie meinten aber gleich, nachdem sie angekommen waren, dass es besser sei, wenn ich einem wirklichen Elektriker aus unserem Ort Bescheid sagen würde, sie hätten weder die richtigen Elektro-Werkzeuge noch die Kenntnisse, mit solchen Fachwerkzeugen zu hantieren.

Das war ihr Standard-Spruch, um allen Arbeiten von vornherein aus dem Wege zu gehen.

Ich wusste inzwischen von anderen Kunden bei Ikea, wie es in so einem Fall lief: Hätte ich in dieser Situation einen eigenen Elektriker organisiert, wären die beiden Monteure glückselig wieder nach Hause gefahren, denn ich hätte ja einen nichtautorisierten Fremdarbeiter zur Hilfe geholt und das wäre ein Grund, alle Arbeiten umgehend einzustellen. Ich hatte zu ihrem Leidwesen genügend eigenes Werkzeug in der Wohnung, um damit einen gewissen Erfolg in der Elektro-Installation der Küche zu erreichen. Aber sie waren Profis und deshalb hier kurz der Fortgang der Elektro-Installation:

Einige Tage später, als wir wieder mal auf Zimmerleute und sonstige Arbeiter von Ikea warteten, rief der Elektriker an. Er fragte, ob alles in Ordnung sei und sagte, dass wir ihn jederzeit anrufen können. Er gab uns seine Telefon-Nummer und sagte, dass er nicht mehr bei IKEA arbeiten würde und deswegen auch schnell zu uns kommen könnte – die Entfernung von seiner Wohnung zu unserer Wohnung sei weniger als 200 Kilometer.

Wir selber hatten die Küche bis zu diesem Moment überhaupt noch nicht benutzt, da immer noch diverse Sachen fehlten.

Irgendwann wollte Nelly aber einmal etwas kochen und es stellte sich heraus, dass der Ofen und die eingebaute Mikrowelle funktionierten – aber nicht die Herdplatte. Die hatte der gute Fach-Elektriker nicht angeschlossen, und das wusste er genau, und deswegen hoffte er jetzt auf einen privaten Zusatzauftrag, um auch den Herd anschließen zu können.

Das hört sich einfach an, ist aber in der Dom Rep doch etwas kompliziert, weil alle Stromnetze auf 110 Volt laufen, nur ganz starke Elektrogeräte wie Klimaanlage, Waschmaschine und Herdplatten zusätzlich mit einer gesonderten 220 Volt Leitung angeschlossen werden. Und das können die normalen Handwerker nicht, jedenfalls nicht, wenn sie nicht wissen, was sie beim Sicherungskasten tun müssen, damit nicht die ganze Wohnung in aller Ruhe ausbrennt, wenn sie die 220 Volt-Leitung falsch abgesichert haben.

Ich kannte dieses Problem, konnte es aber nicht selbst lösen, es sei denn, ich wollte unser trautes Heim selber abfackeln.

Irgendwann später riss mir der Geduldsfaden, ich schickte ein wütendes Schreiben per Mail an IKEA in dem Ton, dass IKEA selber in Ordnung sei und man sich um uns kümmerte, aber die Installationsfirma sei einfach Scheiße und ein einziger Haufen unfähiger und unzuverlässiger Idioten. Ich habe ziemlich viele solche Worte gebraucht, denn nur so weckt man sie auf.

Ich hatte diese Mail gerade an den Chef von IKEA und an die Dicken abgeschickt, als im gleichen Moment die Türklingel läutete und ein netter, freundlicher, junger Elektriker an der Türe stand. Daraufhin spielte unser heutiger Elektriker ein bisschen an allen Leitungen und Sicherungen. Sicherung aus, Licht aus, Sicherung an, Licht wieder an, so ging es 2 Stunden lang, bis ihm der Daumen weh tat. Nachdem er seinen Daumen untersucht hatte, kam er zu der Überzeugung, dass die Herdplatte kaputt sei.

Es hieß dann etwas später, dass er übermorgen wiederkommen würde.

Ich hatte dann noch eine Idee, von der ich aber selber irgendwie auch noch nicht ganz überzeugt war, nachdem drei Tage später der nächste Elektriker uns seine Aufwartung machte. Er stellte fest, dass die Herdplatte doch angeschlossen war, aber nicht funktionierte. Wer den Fehler gemacht hatte oder ob es von Anfang an eine defekte Herdplatte war, konnte niemand genau sagen- nur dass sie nicht funktioniert, das war jetzt allen klar

Ich schlug folgendes vor:

Bei der IKEA-Verkaufsstelle in unserem Ort hatten wir uns die dortigen Musterküchen noch mal angesehen, es sind insgesamt drei kleine Musterküchen dort ausgestellt. Ein Herd in dieser Musterküche war genau der gleiche Herd, den wir bei uns hier hatten. Ich rief also sofort die Dicken bei IKEA an und sagte ihnen, was los sei und dass das Ganze sich sicher wieder um Tage verzögerte und wir wirklich allmählich die Schnauze voll haben. Ich machte dann den Vorschlag, unsere offensichtlich defekte Herdplatte einfach jetzt zu ihm nach IKEA-Bavaro zu bringen und auszutauschen gegen die dortige Platte, die in der Ausstellung steht.

Der Dicke zögerte ein bisschen, dann gestand er ziemlich kleinmütig, dass diese Idee vor mir schon jemand gehabt hatte. Der letzte Kunde, der ebenfalls eine kaputte Herdplatte erhielt, hatte sie ausgetauscht gegen die bei IKEA befindliche Herdplatte im Musterraum. Dadurch sei jetzt die Herdplatte, die dort steht, genauso kaputt oder defekt wie unsere eigene.

Soviel zur Musterküchenabteilung von IKEA und zum Thema Rettung in höchster Not oder auch nicht.

Der Monteur von IKEA nahm also unsere defekte Herdplatte mit zu IKEA in die Zentrale in Santo Domingo. Die dortige Zentrale ist riesig, ungefähr dreimal so groß wie jedes Ikea-Haus in Hamburg. Dort sollte die Platte geprüft werden, und dann würde er mit einer funktionierenden Herdplatte irgendwann wieder zurückkommen.

Ob und was dann passieren würde, wusste ich nicht. Auf alle Fälle hatten wir jetzt die Situation, dass unsere schöne neue Küche sich inzwischen stückweise wieder auflöste. Und die ersten Einschüsse und Löcher sind im nächsten Video zu sehen, was aber ebenfalls wieder prompt vom Provider gelöscht wurde.

Als dann nach einigen Tagen wieder die Sonne morgens über dem Meer aufging und ich verträumt in das Loch blickte, was einmal unsere neue Küche werden sollte, bekam ich einen leicht elegischen Anfall und entschloss mich jetzt eine neue Form der Konversation zu probieren. Ich zog vorher noch ein Fazit, um mich richtig einzustimmen, und das lautete in etwa wie folgt:

Morgens passiert grundsätzlich erstmal gar nix.
Mittags passiert immer noch nichts.
und am Abend war zum Schluss genau das eingetreten, was man wohl mit Fug und Recht die dominikanische Tageseinteilung nennt.

Morgens nix, mittags nix und abends auch nix.
Wir waren irgendwie ein bisschen deprimiert.
Wie also das Problem lösen?

Da ich im Problem-Lösen einige Jahrzehnte lang Erfahrung habe, entschied ich mich für die lautstärkere Variante zusammen mit russischem Roulette. Das hört sich jetzt gewaltig an, war aber nur die logische Schlussfolgerung, wenn ich überlegte, welche Möglichkeiten ich selber habe, welche Möglichkeit IKEA hat und wie man das Ganze trotzdem einigermaßen zu unseren eigenen Gunsten gestalten könnte. Ich will hier nicht weiter um den Brei herumreden, ich setzte mich hin und schrieb ein nettes Briefchen per E-Mail an meine Ikea-Freunde hier in Bavaro.

Dort kannte ich den Dicken, der hier alles ausgemessen hatte und mit dem ich auch alles sonst besprochen hatte. Und ich kannte den Chef von IKEA-Bavaro inzwischen recht gut, ein ruhiger Mann aus Venezuela, der immer einen recht vernünftigen und besonnenen Eindruck gemacht hatte. An die beiden richtete ich ein Schreiben.

Bei etwas wichtigeren Sachen diktiere ich für mich selber erst in Deutsch, dann lass ich es vom Computer übersetzen, und dann korrigiere ich den Computer-Text noch mal mit der Hand, sodass eine einigermaßen vernünftige spanische Version rauskommt. Der deutsche Text, der dann schlussendlich quasi genauso abgeschickt wurde, nur eben auf Spanisch, lautete:

Hallo Juan und David
Heute, Montag 21., sind die Monteure der Küche bisher wieder nicht bei uns erschienen. Wir wissen nicht warum, wir wollen es auch gar nicht mehr wissen. In 14 Tagen sind die Monteure nur 2-mal gekommen, einmal mit 2 Personen, einmal einer alleine. Das war alles.

Wir reisen am Freitag diese Woche zurück nach Deutschland.
Ich bin ein Mensch der klaren Worte.

Wenn bis morgen Abend, Dienstag 22.3.2016, unsere Küche nicht komplett fertig montiert ist, mit allen Modulen und laut Angebot, passiert folgendes:

Am Mittwochvormittag wird eine Gruppe von Arbeitern aus unserem Kondominium die gesamte Küche wieder rausreißen. Dann auf einen Lastwagen schmeißen und ich werde alles zurück zu Ikea fahren lassen. Dort werden am Mittwoch oder Donnerstag die Presse und das Fernsehen (lokal und national) dabei sein, wie eine komplette Küche von Ikea vor der Eingangstür von Ikea zerstört wird.

Was der Kommentar der Reporter sein wird, weiß ich nicht, ist mir auch egal. Auf jeden Fall werde ich erklären, dass der Frust über die Art und Weise, wie wir von Ikea nach dem Kauf einer Küche behandelt wurden, uns jetzt reicht. Dann werden wir nach Deutschland reisen und in 3 Monaten eine neue Küche bei einer anderen Firma kaufen.

Ich bin Gott sei Dank in einer finanziellen Situation, dass mich der Verlust einer Küche weniger schmerzt als der Ärger und die Frustration, die meine Frau und ich nicht mehr länger ertragen können.

Ihr kennt mich vielleicht schon ein bisschen, ich bin es gewohnt, dass ich mein Wort einhalte. Genauso wie ich alles seriös und pünktlich bei Ikea im Voraus bezahlt habe, genauso ist diese Ankündigung auch seriös und konkret.

Gruß
Thewes Henckell

1 Stunde später, nachdem ich dieses fröhliche Briefchen per E-Mail an die beiden Ikea-Chefs geschickt hatte, bekam ich eine Antwort.

Man versuchte mich auf Spanisch mit vielen netten Worten zu beruhigen und sagte, dass morgen ganz früh eine große Mannschaft von IKEA aus der Hauptstadt und aus Bavaro zusammen bei uns eintreffen wird, um dann die Küche fertigzustellen, bevor ich Gelegenheit habe, sie rauszureißen und bei Ikea vor die Eingangstür zu schmeißen.

Damit war das russische Roulette im Prinzip erst mal gewonnen. IKEA bzw. diese Chefs hier können es sich einfach nicht leisten darauf zu spekulieren, ob ein verrückter deutscher Opa tatsächlich etwas macht, von dem sie sich vielleicht sogar vorstellen könnten, dass er dazu fähig wäre.

Am nächsten Morgen um 8:30 Uhr standen sechs Leute bei uns vor der Tür.

Zwei Tischler für die restlichen Einbauarbeiten, zwei Monteure aus der Hauptstadt, die morgens um 5:30 Uhr mit den Marmorarbeitsplatten – zugeschnitten – losgefahren waren, um rechtzeitig hier zu sein, und dann noch der dicke Juan und sein Chef David, ebenfalls persönlich. Ich empfing die ganzen Leute freundlich und kühl und verzichtete auf ein großes Palaver, damit sie bloß anfangen können zu arbeiten.

Sie arbeiteten dann wirklich wie die Wilden. Ich musste am Tag noch drei oder viermal in einen Baumarkt hier gehen, um irgendwelche Handwerksgeräte zu kaufen, die sie nicht dabei hatten, aber das war das kleinste Problem. Die Tischler waren so gegen 4 Uhr nachmittags fertig. Bis auf 4 kleine Sachen, die nicht mitgeliefert waren, war alles o.k.

Die armen beiden Menschen, die die Marmor-Arbeitsplatten zuschneiden und einsetzen mussten, hatten einen extrem langen Tag.

In der ganzen Aufregung waren wohl die Abmessungen für die Küchenplatten von IKEA Bavaro nach Santo Domingo nicht ganz richtig kommuniziert worden. Auf jeden Fall waren die beiden den ganzen Nachmittag und Abend dabei, hier die Zuschnitte wieder zu ändern und alles richtig zu machen. Die beiden haben wirklich von morgens um neun bis genau 10 Minuten nach Mitternacht durchgearbeitet.

Nelly und ich waren schon seit 9 oder 10 Uhr abends am Ende unserer Aufnahmefähigkeit und warteten irgendwie nur darauf, dass die beiden, die immer noch mit ihren Marmor-Zuschnitten rumhantierten, irgendwie zusammenbrechen würden.

Ich bot den beiden an, für sie ein Hotel zu bezahlen und den nächsten Tag weiterzumachen, aber das ging nicht, da sie von ihrem Chef die Drohung erhalten hatten, bei Henckell auf alle Fälle fertig zu werden, damit der alte Henckell ja nicht seine wüsten Drohungen eventuell in vollendete Tatsachen umsetzen würde.

Wir sind dann nach Mitternacht, so gegen 1 Uhr, irgendwie ins Bett respektive auf den Terrassenboden umgefallen. Am nächsten Morgen haben wir dann unsere beiden Gärtner im Kondominium geholt und die beiden haben den ganzen Vormittag hier Staub und Müll beseitigt. Von dem permanenten Zuschneiden und Kaputtschneiden der vielen Marmorplatten war die gesamte Wohnung total eingesaut und eingestaubt.

Man konnte nichts machen als fegen und fegen und Wasser auf den Boden gießen – Stunde um Stunde. Von der Decke, den Ventilatoren bis runter zu den Rillen in den Fliesen im Fußboden, alles war mit weißem, feinem Marmorpulver bedeckt.

Doch auch das ging nach einigen Stunden vorbei und es wurde Licht.

Unsere ganzen Möbel, die wir in einem anderen Appartement verstaut hatten, kamen dann wieder zu uns rüber. Wir wussten seit Wochen erstmals wieder, wo wir wohnten. Am nächsten Morgen kam zu unserer großen Überraschung bereits um 9 Uhr schon wieder der dicke Juan von IKEA hier an, diesmal in Zivil. Er wollte einfach nur sehen, ob in der Nacht noch irgendwelche größeren Schäden aufgetreten waren und wie die Arbeiten schlussendlich abgeschlossen wurden.

Ich nehme an, er war von seinem Chef so zusammengestaucht worden, dass er sagte, die Henckells müssen wir jetzt wirklich unter Dauerkontrolle haben, bevor sie wieder mal anfangen auszuflippen. Am nächsten Morgen sollte dann wirklich der Rest der Arbeiten in der Küche gemacht werden, insbesondere sollte auch der Elektriker mit der neuen Herdplatte aus der Hauptstadt kommen und bei uns alles fertig machen.

Also – eine kleine schöpferische Pause und Luft geholt für den fulminanten Endspurt.

Jedes Theaterstück hat irgendwann einen letzten Akt.

Das sollte normalerweise der Höhepunkt der gesamten Aufführung sein, meistens ist es aber so, dass in diesem letzten Akt alle irgendwann sich hinlegen und noch mal kräftig ihren Monolog rezitieren oder singend herausbrüllen und dann sind alle tot und das Licht geht wieder an und das Leben geht weiter.

Der letzte Akt im Drama „IKEA oder wie die Karibik bebt“ fand nun statt.

Die Mitwirkenden waren:
Ein Elektriker, der kommen sollte und nicht kam,
ein zweiter Elektriker, der ebenfalls kommen sollte und nicht kam.
eine freundliche Dame aus Chile, die das Ganze als von Gott gegeben und wahrscheinlich auch wieder von Gott genommen hinnahm
und ein alter Choleriker, der seinem Hobby wieder frönen konnte, alles, was sich links und rechts von ihm bewegte, so lange anzuschreien und zu verfluchen, bis alle in den Spitzen der nächsten Palmen warteten, dass er sich irgendwann im Leben wieder mal beruhigen würde.

Die Elektriker sollten morgens in Santo Domingo losfahren und wenn sie losgefahren sind, sich kurz telefonisch melden, damit wir wissen, wann wir sie im Lauf des Tages erwarten können.

Sie sind mit Sicherheit irgendwann auch morgens losgefahren, aber haben sich natürlich nicht gemeldet. Zwischen elf und zwölf war die normale Zeit, in der sie bei uns anfangen hätten können zu arbeiten. Als gegen 12:30 Uhr immer noch niemand erschien, rief die freundlichste aller Chileninnen bei einem der Elektriker an, um zu sagen, dass wir nächste Woche abreisen und ob er nicht zwischendurch noch irgendwann zu uns kommen könnte.

Er meinte nur, sie seien im Moment schon in Bavaro, hätten aber noch andere Leute auf dem Zettel, die sie erst abarbeiten müssten. Er würde gegen 15 Uhr kommen. Um 15 Uhr verließ der Choleriker sein Heim, um in Bavaro bei den inzwischen fünf großen Tankstellen die restlichen Mengen an Benzin aufzukaufen, um dann danach in die Supermärkte zu fahren, um alle leeren Bierflaschen zu ersteigern und dann schließlich in allen Baumärkten die dort noch vorhandenen Kisten mit Stroh und Papier in größtmöglichen Mengen zu kaufen.

Das ist an sich die Grundausstattung, wenn man leichte und wurffähige Molotowcocktails basteln will.

Gegen 4 Uhr riefen wir wieder an, und die Elektriker meinten, sie seien schon im Auto auf dem Weg zu uns. Um 4:30 Uhr erhielt IKEA eine Nachricht, dass in Kürze an den verschiedensten Stellen ihres großen Ausstellungsgebäudes ungefähr 35 Molotowcocktails hochgehen würden, wenn nicht innerhalb von 10 Minuten die Elektriker bei uns erscheinen.

Daraufhin wurden die Leute bei IKEA doch etwas unruhig.

Inzwischen hatte Winnie, unsere liebe Nachbarin und Leidensgenossin im Geiste, ihren selbst gemachten Käsekuchen mit schönem Kaffee und netten Gästen, darunter den Chef unseres Condominiums Paco Castillo sowie Nelly und mich, auf die Terrasse geladen zu einem netten Kaffee.

Ich überlegte intensiv, ob man Molotowcocktails auch mit Käse befüllen kann. Vielleicht brennen die dann nicht nur, sondern stinken dabei auch richtig schön. Ich konnte und wollte aber in diesem Moment auf Winnies Terrasse keine direkte Probe machen.

Um fünf riefen wir wieder bei dem Elektriker an, und die Antwort war natürlich: Sie sind immer noch im Auto und sind bald da.

Ich ging daraufhin ebenfalls zum Auto, mein Weg zu IKEA war nicht mehr aufzuhalten.

Irgendwann auf dem Weg trafen wir uns dann, aus zwei freundlichen Elektrikern wurden zwei vor Schreck erstarrte Salzsäulen und ein rot angelaufener und inzwischen absolut unzurechnungsfähiger alter Opa wandelte sich im Anblick dieser beiden Elektriker in einen Ausbund von Freundlichkeit, wie man ihn seit Jahren nicht erlebt hatte. Dann waren die beiden bei uns, unsere liebe Putzfrau Santa hatte auch schon den ganzen Tag auf dieses Erlebnis der dritten Art gewartet, denn sie sollte die Einführung in die höheren Weihen und Geheimnisse einer Elektro-Ceran-Platte persönlich erleben.

Irgendwann war dann das Teil eingebaut und oben auf der Platte fing alles an zu leuchten, je nachdem, wo man gerade drückte. Ein normales Computerspiel oder jedes Ballerspiel in einer Kneipe ist gar nichts dagegen.

Weder meine hoch geschätzte Gattin, noch ich selber, geschweige denn Santa, werden jemals in diesem Leben in die Geheimnisse dieser Ceran-Platten-Elektronik-Fingerabdruck-Spielkram-Systematik eindringen.

Aber das ist auch nicht nötig, Hauptsache, die Küche war jetzt fertig.

Nicht nur diese Ikea-Wunderküche war fertig, alle anderen Beteiligten ebenso.

Doch am meisten gelitten hat wohl die gute Winnie, denn sie hatte gemerkt, dass ich im Inneren meiner gekränkten Seele mit ihrem schönen Käsekuchen schon ganz andere Pläne hatte.

Zum Schluss, es war so gegen sieben und wurde gerade dunkel, erhielten die beiden Elektriker dann noch eine Strafarbeit von mir. Ich hatte zwei kleine Trittleitern bei IKEA ersteigert, eine kleinere für Nelly und eine etwas höhere für Santa, damit die beiden auch in die Staubfängerabteilungen der obersten Wandschränke irgendwann im Jahr mal einen Blick hineinwerfen können. Diese beiden Kleinteile zusammenzusetzen erforderte hunderte von Schrauben, Muttern, Unterlegscheiben und ungefähr 6- 8 Hände, die alles gleichzeitig halten mussten, und war eine typische IKEA-Aktion.

Ich habe volles Verständnis für die vielen Kunden, die beim Aufbau von IKEA-Möbeln immer ein Beil griffbereit neben sich liegen haben:

Zuerst, um den niemals fertig werdenden, aufzubauenden Teil im dritten Anfall einer Wahnsinnswut mit einem einzigen Schlag zu zertrümmern. Oder wenn sie es mit mehreren Teilen zu tun hatten, zwei Teile fertig waren und das dritte immer wieder in sich zusammenfiel, um dann eben dieses Beil zu benutzen, um ihrem kleinen unscheinbaren Verweilen auf diesem Planeten mit einem einzigen Schlag ein vernünftiges Ende zu setzen.

Da ich diesen Bericht noch schreiben konnte, wird die Sache mit dem Beil nach dem nächsten Besuch bei IKEA passieren.

Bis dahin seid gegrüßt

PS: Meine liebe Chefin meint nach Durchsicht dieses kleinen Berichts, dass unser weißhaariger Choleriker nun doch nicht die ultimative Lösung sei und sie aus diesem Grunde ihr Problem auch nicht mehr zurück haben möchte.

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