Und Tschüss – ab in den Dom-Rep-Knast

Dieser Bericht ist für verschiedene Personengruppen geschrieben.

Er kann deshalb für einige zu lang und aufwendig sein. Andere möchten vielleicht noch mehr Details lesen. Ich will versuchen, den Bericht so zu schreiben, dass jeder daraus entnehmen kann, was er möchte.

Meine Frau und ich wollten in diesem Jahr von Januar bis Mai in unserem Kondominium in Punta Cana leben.

Wir haben hier eine schöne Wohnung und leben gerne in der Dominikanischen Republik. Ich habe hier im Laufe der Jahre eine Funktion als Präsident oder Vizepräsident, je nachdem, wie viele andere Mitbewohner sich für Gemeinschaftsaufgaben bereit erklärt haben.

Im Großen und Ganzen sind die letzten 17 Jahre hier im Kondominium sehr friedlich und ruhig verlaufen. Es gab gelegentliche Störungen und auch die Notwendigkeit, ab und zu mit einem Anwalt aufzutreten. Aber das war bisher die ganz große Ausnahme.

Da ich viele Sprachen spreche, kommen automatisch auch viele Angelegenheiten hier auf mich zu.

Ende Januar tauchte Marc Fox in unserem Kondominium auf und erklärte, er würde gerne hier für die Zeit von März bis Mai eine Wohnung mieten.

Da ich selber mehrere Wohnungen verwalte, weil Freunde und Bekannte aus Europa oder den USA aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen nur noch gelegentlich hierher kommen, konnte ich Marc zwei Wohnungen zeigen, die zu diesem Zeitpunkt frei sein würden.

Eine Wohnung gefiel ihm sehr, und wir machten einen Mietvertrag für ca. drei Monate.

Die Inhaberin der Wohnung ist eine Amerikanerin. Sie ist Witwe und lebt seit einem schweren Autounfall in den USA seit vielen Jahren im Rollstuhl. Deswegen kann sie kaum noch reisen und war auch eine lange Zeit nicht mehr hier.

Marc zog Anfang März in die Wohnung und fühlte sich von Anfang an sehr wohl. Er kommunizierte mit der Wohnungsinhaberin über die Möglichkeit, hier einen Mietvertrag über ein Jahr abzuschließen, so gut gefiel es ihm hier in unserem Kondominium.

Er spricht kein Wort Spanisch und hat sich daher in kurzer Zeit einen englischsprechenden Freundeskreis hier im Kondominium aufgebaut.

Mehrere andere Apartments waren zu dieser Zeit an Amerikaner und Kanadier vermietet.

Diese Gruppe traf sich praktisch jeden Tag am Strand und saß zusammen und man genoss die Zeit hier am wunderschönen Strand unseres Kondominiums.

Der engere Freundeskreis von Marc bestand aus seinem Freund Tom, der zusammen mit seiner leider sehr kranken Frau hier zusammen mit Marc ankam, und die drei lebten in dem gemieteten Apartment.

In einem anderen Apartment lebte ein Amerikaner, er heißt Peter, zusammen mit seiner Frau und einigen anderen Amerikanern. Die Apartments hier sind sehr groß und haben viele Schlafzimmer. Es ist deshalb kein Problem, mit mehreren Personen in einem dieser Apartments zu wohnen.

Der Kreis der Amerikaner und Kanadier, die hier am Strand zusammen waren, betrug meistens 8–10 Personen. Ich muss das hier jetzt schon erwähnen, weil es für die weitere Geschichte wichtig ist.

Am Strand vor unserem Apartment gibt es zwei Gruppen von Liegestühlen.

Die einen sind sehr bequem, sie sind grün und haben eine klare Aufschrift mit dem Logo unseres Kondominiums und dem geschriebenen Wort PRIVAT. Diese Liegestühle sind ausschließlich für die Eigentümer und die Mieter unseres Kondominiums.

Ein benachbartes Hotel, das seinen Gästen auch Strandzugang ermöglichen möchte, hat vor längerer Zeit ca. 20 weiße Liegestühle an den Strand gestellt. Sie sind aus Plastik. Dadurch sind sie natürlich hart und relativ unbequem, aber zumindest werden sie aus dem Grund nicht gestohlen und auch nur wenig beschädigt.

Natürlich versuchen im Laufe eines Tages immer wieder Touristen, sich – statt auf die weißen, harten Liegestühle – lieber auf unsere bequemen Stühle zu legen. Dann kommen unsere Wachleute und erklären ihnen höflich, dass diese privat sind. In den allermeisten Fällen gibt es dann auch keine Probleme.

Ich selber habe unsere Wachleute entsprechend instruiert und auch gesagt, dass sie sich bei Problemen an mich wenden sollen, denn ich kann mit meinen Sprachkenntnissen und meinem Auftreten als älterer Mann und als Präsident des Kondominiums sicherlich auch Konfliktsituationen schnell und einfach lösen.

Auf dieser Basis klappt das Zusammenleben am Strand im Prinzip die ganze Woche über problemlos.

An Sonntagen kommen relativ viele Besucher an den Strand und dann kann es durchaus passieren, dass es keine Liegestühle mehr gibt.
Auch diese Situation ist normalerweise nicht aufregend, dann legen sich die Besucher eben einfach direkt auf den Strand.

Soweit zur Vorgeschichte. Und jetzt zu den Ereignissen der letzten zwei Wochen.

Hier am Anfang noch eine kleine Vorbemerkung:

Ein Apartmentbesitzer, der seine Wohnung ebenfalls direkt am Strand hat, lässt seine beiden acht- und zehnjährigen Söhne mehrmals in der Woche Judo und Karate trainieren. Dafür kommt ein Lehrer zu dieser Familie und man legt Matten auf den Strand, auf denen die Kinder in die Sportarten eingeführt werden.

Auch hier hat es nie Probleme gegeben.

Der Judo-Lehrer kommt offensichtlich von ziemlich weit her, denn es passiert gelegentlich, dass er mehrere Nächte oder eine Woche lang auch dort in der Wohnung übernachtet.

Sonntag, 20. März 2017

An diesem Sonntag, den 20. März, kam mittags eine Gruppe von drei Leuten an den Strand. Ein Mann, ca. 30, zusammen mit zwei Dominikanerinnen, beide ca. Mitte 20

Er war erkennbar Ausländer, von der Statur her Europäer oder Amerikaner, sportlich, etwas untersetzt und er wirkte durchtrainiert.

Wie ich später von unserer Sicherheitsabteilung hörte, waren diese drei schon vorher relativ oft bei uns am Strand.

Sie fanden keine freien Liegestühle und gingen darum die Häuserfront der vier kleinen Häuser ab, aus denen unser Kondominium am Strand besteht, um noch irgendwo freie Liegestühle zu finden.

Vor der letzten Wohnung waren zwei Liegen frei, sie standen direkt unter der Terrasse der Wohnung. In dieser Wohnung war zu dem Zeitpunkt der Judo-Lehrer zusammen mit den beiden Kindern. Der Vater war an diesem Sonntag weggefahren, um etwas zu besorgen.

Der Mann fragte in fließendem Spanisch den Judo-Lehrer, ob er die beiden Liegen benutzen könne. Der Judo-Lehrer wusste anscheinend gar nicht, um was es ging, nickte und für ihn war die Sache erledigt.

Daraufhin nahm die Gruppe die beiden Liegen und schob sie in die Mitte des Strandes, um es sich dort gemütlich zu machen. Marc war zu diesem Zeitpunkt inmitten seiner Gruppe am Strand.

Als er sah, dass jemand die beiden Liegen nahm, erhob er sich und ging zu der kleinen Gruppe. Er fragte auf Englisch, ob die Leute zum Kondominium gehören, denn er selber erwartete wohl noch weitere Freunde für seine Gruppe und wollte entsprechend später eventuell auch ein oder zwei dieser grünen Strandliegen haben.

Der Mann antwortete in fließendem Englisch, dass sie aus einem Hotel kommen, welches weit weg war, und dass dies ja keine Rolle spiele.

Marc sagte nur, dass diese Liegen Privateigentum der Kondominiumbesitzer seien und sie hätten kein Recht, diese Liegen zu benutzen. Sie sollen sich auf der anderen Seite des Strandes bewegen und dort sehen, ob weiße Liegen zur Verfügung stehen.

Dann drehte er sich um und ging zurück zu seiner Gruppe.

Kaum hatte er sich umgedreht, sprang eine der beiden Frauen auf und lief hinter ihm her.

Sie fing an, ihn sofort sehr laut und in gutem Englisch zu beschimpfen. Sie schrie hinter ihm her, dass er ein typischer Amerikaner sei, der sich alles erlauben würde und sie als Dominikaner darunter leiden müssen und dass ihre Insel und ihr Strand usw. und so fort.

Eine Ansammlung von rassistischen Sprüchen folgte, wie sie professioneller kaum gemacht werden können.

Marc wollte mit der Frau nicht diskutieren und ging weiter.

Dann ging er durch seine Gruppe hindurch in Richtung Wasser, um im Meer zu baden. Auch dahin verfolgte ihn die Frau und schimpfte mit sehr lauter Stimme immer weiter.

Da sie auf Englisch schrie, konnte die ganze Gruppe der Amerikaner und Kanadier alles verstehen.

Jetzt drehte Marc sich um und sagte nur zu der Frau, sie solle doch bitte aufhören, ihm sei das Ganze egal, er wolle nur sicherstellen, dass jeder hier das bekommt, worauf er Anrecht hat und nichts weiter.

Jetzt mischte sich plötzlich der Mann ein, er stellte sich zwischen der Frau und Marc und es kam wohl ziemlich schnell zu irgendwelchen Körperkontakten.

Angeblich schubste der Mann Marc nach hinten, er solle weggehen oder was auch immer, ich kann hier nur berichten, was andere mir erzählt haben.

Auf jeden Fall eskalierte die Situation weiter und kurze Zeit später gab es eine ziemliche Schlägerei zwischen Marc und diesem Mann. Marc ist zwar sehr groß und wirkt sehr kräftig, aber er ist 59 Jahre alt und gesundheitlich angeschlagen. Seine Kräfte sind sicherlich lange nicht so, wie sie aussehen, wenn man ihn das erste Mal sieht.

Auf jeden Fall war es wohl so, dass Marc von dem Fremden zweimal niedergeschlagen wurde und im Sand lag, denn sein Oberkörper war voller Sand.

Jetzt sprang sein Freund Tom auf und griff in die Situation ein, um Marc zu helfen. Tom ist vielleicht 50, klein- – aber sehr sportlich und hat Marc wohl auch helfen können.

Die drei prügelten sich also vor der ganzen Gruppe. Die meisten in der Gruppe waren inzwischen aufgestanden und schrieen herum, man solle doch aufhören mit so etwas, und jeder versuchte dann auf seine Art das Szenarium zu beruhigen.

Aber wenn sieben oder acht Menschen gleichzeitig aufstehen und versuchen hier helfend einzugreifen, entsteht naturgemäß ein noch größeres Tohuwabohu.

Die Konsequenz war, dass jetzt ein sehr großes Geschrei an dieser Stelle am Strand entstand. Einige Dominikaner wollten ebenfalls eingreifen und standen auf und gingen dorthin.

Ich selber hatte mich ca. 20 m entfernt auf einen Liegestuhl gelegt und versuchte einen kleinen Mittagsschlaf zu halten.

Ich bin absoluter Frühaufsteher. Jeden Morgen zwischen 5.00 und 5.30 Uhr stehe ich auf und arbeite morgens meistens am Computer und tue das, was mir Spaß macht. Mittags bin ich entsprechend müde und benötige 1 Stunde Mittagsschlaf. Ich hatte mich also gerade hingelegt und war gerade eingeschlafen, als ich von dem Geschrei aufwachte.

Ich sah dann diese Gruppe von Menschen diskutieren und teilweise am Boden liegen und sich noch prügeln. Das Ganze erschien mir wie ein schlechter Traum, ich wusste zuerst nicht, ob ich eventuell alles träumte oder ob das inzwischen Realität war.

Nachdem die Kämpfenden wohl einen Augenblick Luft holten, um sich eventuell wieder neu zu prügeln, kehrte etwas Ruhe ein. Deshalb sah ich auch genau wie alle anderen dort folgende Szene:

Der Mann – mir wurde erst gesagt, er sei ein Russe, später wurde das korrigiert, er sei schweizer Nationalität – stand vor einer der beiden Damen und hielt sie mit beiden Händen an den Schultern.

Er schüttelte diese Frau sehr stark und schrie sie mehrmals laut in Spanisch an, übersetzt: „Hier siehst du, was sie mit mir gemacht haben, fass mal meinen Kopf an, ich habe drei Verletzungen am Kopf und das ist alles nur deine Schuld…“

Und er wiederholte die Anschuldigungen gegen diese Frau, mehrmals laut schreiend, auf Spanisch: „Das ist alles deine Schuld, nur deine Schuld, dass ich jetzt so verletzt bin…“

Dabei schüttelte er diese Frau ziemlich stark mit den Händen, die er um ihre Schultern festgekrallt hatte. Er nahm mehrmals eine Hand dabei von ihrer Schulter und fuhr damit gegen seinen eigenen Kopf, um ihr seine Verletzungen zu zeigen, dann schüttelte er sie wieder weiter mit beiden Händen.

Dies ist auch wichtig für den späteren Vorfall in dieser Geschichte.

Auch einer unserer Wachleute, er heißt Choco, der am Strand in unserem Namen für Ordnung sorgte, war inzwischen zu dieser Gruppe gekommen respektive auf dem Weg dahin.

Da er nur Spanisch spricht, konnte er jedes Wort verstehen, das der Schweizer auf Spanisch zu der Frau sagte, die er dabei schüttelte und an der Schulter festhielt.

Die Amerikaner konnten alle kein Spanisch, aber ich hörte diese Worte ebenfalls.

Ich konnte zwar nicht genau sehen, was da passierte, denn zwischen mir und dem Schweizer und der Frau, die er festhielt, war inzwischen eine Mauer von Menschen, aber ich konnte ganz klar verstehen, was dieser Mann zu der Frau schrie, die er dabei an den Schultern festhielt.

Dann bewegte sich die ganze Gruppe langsam in Richtung des Hauses, wo wir wohnen. Es hieß, dass inzwischen auch die Polizei benachrichtigt worden sei von irgendwelchen Dominikanern.

Ich versuchte ein bisschen Autorität zu generieren und sagte, dass ich Präsident des Kondominiums bin und dass man sofort aufhören soll, sich hier so zu beschimpfen und zu prügeln.

Während ich das sagte, fing der Schweizer nochmals an, sich auf Marc zu stürzen und versuchte dabei, ihn niederzuboxen.
Die Menschenmenge musste dann Marc und Tom zurückhalten und einige andere Dominikaner und andere Menschen in der Gruppe mussten gleichzeitig auch den Schweizer wieder festhalten, damit die drei sich nicht weiter prügelten.

Ich sagte dann dem Schweizer, dass ich ihm ab sofort den Zutritt über unser Kondominium zum Strand verbiete und dass ich ihn auffordere, sofort den Strand und unser Kondominium zu verlassen und dass er auch hier ab sofort „persona non grata“ sei.

Das muss normalerweise offiziell per Gerichtsbeschluss usw. gemacht werden, ich hoffte aber, dass ich in dieser Situation das auch so klar sagen konnte und dass ich damit Erfolg haben würde.

Die beiden Frauen und der Schweizer verließen dann auch schnell unser Kondominium. Und als sie durch das Eingangstor auf die Straße gingen, wartete dort bereits die Touristen-Polizei. Sie wurden in ein Auto geleitet und verließen mit der Polizei das Gelände.

Für mich persönlich war dies ein ziemlich ungewöhnlicher und auch ehrlich gesagt aufregender Moment, der mich viel Kraft und Nerven gekostet hat.

Aber ich dachte, nun sei alles erledigt.

Inzwischen war es Sonntag, ca. 16 Uhr geworden und alles beruhigte sich und ging wieder zurück zu den Liegestühlen respektive an die Stellen am Strand, wo sie vorher waren.

Am nächsten Tag, also Montag den 21. März, sprach ich noch mit einigen Amerikanern kurz über die Sache und erklärte, dass ich in den 17 Jahren, die ich hier lebe, so einen Auftritt noch nie erlebt hatte und bedauerte die ganzen Unannehmlichkeiten, die am Tag zuvor hier passierten.

Dienstag, 22. März 2017

Am folgenden Tag, Dienstag, den 22. März, kamen abends gegen 18 Uhr plötzlich zwei Polizisten zusammen mit einem Menschen in einem schwarzen Anzug mit weißem Hemd und gingen zu dem Apartment, in dem Marc wohnte.

Dieses Apartment ist direkt in unserem Nachbarhaus und nur ca. 8–10 m von unserem Apartment entfernt.

Ich war zu dem Zeitpunkt auf der Terrasse unseres Apartments. Ich hörte, wie in der Nachbarschaft plötzlich viele Stimmen ziemlich laut redeten und sah dann von unserem Balkon aus, dass diese drei Menschen vor der Terrasse von Marc standen und mit einem Papier verlangten, dass Marc auf die Terrasse kommen solle.

Ich ging rüber und versuchte herauszufinden, was hier los wäre.

Die beiden Polizisten sagten mir nur, dass der Mann im schwarzen Anzug vom Fiskus kommt.

Fiscal ist hier der Begriff für den Friedensrichter und für eine Person, welche im hiesigen Gesetzessystem ziemlich hoch angesiedelt ist.

Immer, wenn es in der Dominikanischen Republik Streitigkeiten zwischen verschiedenen Personen oder Gruppen gibt, wird man zuerst zum Fiscal zitiert. Dort muss jede Gruppe erzählen, was passiert ist, und danach entscheidet dann der Fiscal, ob er die Sache selber regeln kann, also ohne Prozess usw., und wenn ja, in welcher Form. Dazu hat er relativ viele Vollmachten.

Wenn es ihm nicht gelingt, die Parteien zu einer friedlichen Einigung zu bewegen, gibt er den ganzen Vorgang an das Gericht weiter, und dort wird dann im Rahmen der hiesigen Gesetze ganz normal von einem Richter über die Sache ein Urteil gesprochen.

Es war für mich sehr ungewöhnlich, dass um diese Zeit, also zwischen 6 und 7 Uhr abends, ein Fiscal selber oder sein Vertreter hier auftauchen. Die Arbeitszeit dieser Menschen ist normalerweise begrenzt, von morgens um neun bis um zwölf, danach gehen sie Kaffee trinken und ihre Freunde besuchen.

Auf dem Papier, welches der Mann in dem schwarzen Anzug trug, stand etwas von einem Arrest. Es war ein Name aufgeschrieben, den ich nicht kannte und der mir nichts sagte, es stand wörtlich „Meyer“ drauf.

Mir wurde erklärt, man suche hier einen Amerikaner mit einer Glatze, der vorgestern – also Sonntag – eine Frau niedergeschlagen hat und der deswegen in Arrest genommen werden soll.

Man hätte einen Arrestbefehl eines Fiscal oder eines Gerichts und der solle jetzt vollstreckt werden.

Ich sagte nur, dass ein Herr Meier oder wen auch immer sie suchen, hier im Kondominium nicht wohnt und dass sie erst mal rausfinden sollten, wo dieser Herr Meier, gegen den sich ihre Verfügung richtet, überhaupt lebt.

Marc war inzwischen auf dem Balkon erschienen und wusste überhaupt nicht, was hier vor sich ging.

Ich erklärte ihm, um was es geht, dass die Leute praktisch einen Haftbefehl gegen ihn haben und dass er auf keinen Fall die Wohnung verlassen solle.

Der Mann im schwarzen Anzug verstand einigermaßen Englisch und sagte, ich soll aufhören auf Marc einzureden, das sei eine Beeinflussung der Justiz und ich selber könnte deswegen auch abgeholt werden.

Es erschien mir ziemlich lächerlich, aber ich sagte nichts weiter dazu.

Dann drohte man: Wenn Marc nicht freiwillig mitkommt, würde man einen weiteren Beschluss besorgen, der ihnen erlauben würde, in die Wohnung einzudringen und man würde mit 20–30 Polizisten einer Spezialeinheit kommen, um Marc in der Wohnung zu verhaften.

Das Ganze eskalierte anschließend insofern, als die Leute einfach drauf bestanden, dass sie Marc sofort mitnehmen wollten.

Ich ging in meine Wohnung zurück und versuchte, im Internet die Unterlagen der amerikanischen Botschaft hier in Punta Cana zu finden.

Ich wusste, dass die Amerikaner hier im Ort eine Botschaft haben respektive ein Konsulat und ich wusste auch, wo es war. Aber um diese Zeit war natürlich dort niemand mehr. Ich druckte Marc eine Seite aus dem Internet aus, auf der Einzelheiten über das Konsulat aufgeschrieben waren, ging zurück zu ihm und gab ihm dieses Papier.

Ich sagte ihm, er solle morgen sofort dort mit den Leuten sprechen, denn das, was hier vorgeht, ist für mich einfach unfassbar.

Der Mann im schwarzen Anzug, der sich immer noch als Fiscal oder Vertreter des Fiskalischen ausgab, wurde jetzt mir gegenüber aggressiv und sagte, ich solle mich bitte in keiner Weise weiter einmischen, das sei als Einmischung in die dominikanische Justiz zu verstehen usw. usw.

Ich ging dann zurück in meine Wohnung und rief Diego an. Diego ist Anwalt hier in Bavaro und ich kannte ihn aus einigen kleineren Auseinandersetzungen, die wir im Rahmen des Kondominiums vor längerer Zeit mal hatten.

Keine großen Sachen, aber ich hatte gesehen, dass Diego ein ruhiger und besonnener Anwalt ist, der seine Sache vor dem Fiscal gut gemacht hatte.

Da ich selbst inzwischen zu aufgeregt war, um Diego am Telefon alles zu erzählen, übergab ich mein Telefon an den Mann im schwarzen Anzug, damit er Diego erzählen könne, um was es hier eigentlich geht.

Um die beiden in Ruhe telefonieren zu lassen, ging ich dann zum Eingang unseres Kondominiums, wo meine Frau war, um sich dort umzusehen.

Sie sagte mir, es stünden insgesamt vier Autos vor dem Kondominium. Zwei Polizeiwagen und zwei andere Autos. Sie hätte auch in einem Auto die Frau gesehen, mit welcher der Schweizer hier am Sonntag war. Außerdem sei der Vater der Frau mit im Auto.

Die Frau behauptete meiner Frau gegenüber, dass sie schwanger gewesen sei und durch Schläge von Marc das Baby verloren hätte. Das sei ein Verbrechen mit Todesfolgen und das würde in der Dom-Rep ganz hart bestraft.

Natürlich erschrak ich über diese Worte sehr.

In dem zweiten Zivilauto waren noch zwei oder drei weitere Menschen, von denen wir nicht wussten, welche Aufgabe sie hatten. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es noch drei weitere Anwälte waren, die von der Schweizer Seite beauftragt waren, hier für den Schweizer tätig zu sein.

Als ich daraufhin wieder in meine Wohnung zurückkehrte, übergab mir der Mann im schwarzen Anzug mein Telefon.

Er sagte, er kenne Diego und er hätte Vertrauen zu ihm und die Sache sei jetzt so geregelt, dass sie zurückfahren und Diego hätte zugesagt, morgen um 9:30 Uhr mit Marc zum Fiscal zu kommen.

Außerdem hatte Marc ihnen seinen Führerschein gezeigt, der wurde fotografiert und dadurch hatten sie zum ersten Mal den richtigen Namen von Marc und seine Daten, Geburtsdatum und Ort.

Ich hatte das nicht mitbekommen und fand es auch nicht gut, dass Marc das gemacht hatte, aber ich konnte es nicht mehr rückgängig machen. Ich hatte Marc noch auf jeden Fall vorher gesagt, er soll auf keinen Fall seinen Pass zeigen, das würde in dieser Situation nur schlecht für ihn sein.

Dann gingen die Leute wieder zu ihren vier Autos und verließen das Kondominium.

Das war so gegen 19 Uhr.

Zwei Stunden später rief Diego mich an und sagte, der Mann, der sich als Fiscal oder dessen Gehilfe ausgegeben hatte, sei einfach nur ein Anwalt gewesen, der von der Gegenseite gebucht war. Aber die Anschuldigungen, die vorgebracht wurden, seien sehr hart und schwer.

Diego sagte weiter, normalerweise – wenn Marc mitgegangen wäre – würde er sofort ins Gefängnis kommen und mindestens drei Monate in Untersuchungshaft bleiben, bis irgendwie die ersten Verhandlungen gemacht worden wären.
Ich erschrak über diese Nachricht.

Dann sagte Diego, dass wir so viele Zeugen brauchen wie möglich und diese Zeugen sollten morgen – also Mittwoch, den 23. März – um 9:30 Uhr bei ihm im Büro sein.

Ich wusste, wo sein Büro war und sagte Marc, er solle jetzt sofort anfangen, Zeugen zu suchen, die seien nötig.

Ich erklärte ihm im Großen und Ganzen, um was es geht und sagte, alle hätten gesehen, dass er die Frau überhaupt nicht angefasst hat, sondern im Gegenteil, sie sei nur von ihrem eigenen Mann so geschüttelt worden.

Wir hatten inzwischen rausbekommen, dass die Frau und der Schweizer entweder verheiratet waren oder zusammenlebten und ein Paar waren.

Am nächsten Morgen hatte Marc dann einige Papiere von Menschen, die er als Zeugen benennen wollte. Aber es stellte sich heraus, dass die meisten der Amerikaner und der Menschen aus der Gruppe Angst hatten.

Sie hatten wohl mitbekommen, wie drastisch und radikal die Polizei oder die Autoritäten hier durchgegriffen hatten und hatten schlichtweg Angst, auch weil sie kein Spanisch sprachen und deswegen dachten, dass sie sowieso kaum helfen konnten.

Eine Sache vergaß ich zu erwähnen:

Als am Abend vorher die Polizei mit den Anwälten kam, suchten sie auch Tom, den Freund von Marc, der auch an der Schlägerei beteiligt war.

Tom wäre sicher bereit, als Zeuge zur Verfügung zu stehen, aber unglücklicherweise war am Tag vorher sein Urlaub beendet und er war schon morgens um elf zusammen mit seiner Frau zum Flughafen gefahren, um zurück in die USA zu reisen.

Marc und Tom telefonierten und Tom sagte, er sei jederzeit bereit, seine Aussage in den USA vor den entsprechenden Stellen zu protokollieren – aber das sei auch alles, was er in dem Moment machen könne.

Die Polizei und der Anwalt werteten die Aussage von Marc, dass Tom zufällig an diesem Morgen schon zurückgereist war, als ziemlich klares Schuldeingeständnis von jemandem, der sich der Justiz entziehen wollte.

Diese Argumente wurden auch später öfter wiederholt. Und obwohl sie auch nach vielen Wiederholungen nicht richtig waren, ergaben sie doch ein etwas merkwürdiges Gefühl bei denjenigen, die es hörten.

Mittwoch, 22. März 2017

Am Mittwochmorgen waren wir dann also bei Diego.

Er sagte, die Sache sei nicht mehr beim Fiskus hier in Bavaro – das ist der Ort, wo wir alle wohnen. Er heißt nicht Punta Cana, sondern Punta Cana ist nur ein Fantasiename für dieses ganze Gebiet hier. Bavaro ist der Name des Ortes und liegt in der Provinz Altagracia.
Die Provinzhauptstadt von Altagracia heißt Higuey. Dieser Ort ist ca. 50 km entfernt und liegt im Inneren des Landes.

Der Vorfall sei inzwischen vom Fiscal hier aus Bavaro zum Fiscal nach Higuey gegangen.

Wer dahinter steckte, war uns nicht klar. Auf jeden Fall hatte das zur Konsequenz, dass wir jetzt nach Higuey sollten.

Die Zeugen, die Marc hatte, waren:
Sein Freund Peter, ein Amerikaner, der in einer anderen Wohnung lebte und der auch alles mitangesehen hatte.

Choco, der Wachmann des Kondominiums, der auch das meiste gesehen hatte und auf Spanisch gehört hatte, was dort geschrien wurde.

Meine Frau, die mitbekam, wie die Dominikanerin erst sagte, sie hätte ihr Baby verloren, dann aber sagte, sie sei schwanger und dann wieder nicht. Es war alles sehr merkwürdig, was meine Frau dort am Abend vorher mitbekam, als sie sich mit der Dominikanerin und dem Vater unterhalten hatte.

Ich gehe davon aus, dass die Dominikanerin und ihr Vater nicht wussten, dass die Frau, die sich so fürsorglich mit ihr unterhielt, meine Frau war, und dass sie mit dieser Aussage auch bereit war, vor dem Fiscal zu reden.

Und schließlich ich selber, der einiges mitbekommen hatte. Nur nicht den genauen Hergang des Anfangs, aber der war im Prinzip, nach meiner Überzeugung auch nicht so wichtig.

Es lief nach meinem Eindruck darauf hinaus, dass hier jetzt etwas inszeniert werden sollte, sodass der Amerikaner hart bestraft werden würde.

Also Marc und wir vier Zeugen und unser Anwalt – das war unsere Seite.
Auf der anderen Seite 4 Anwälte, der Schweizer und seine beiden Dominikanerinnen.

Am Mittwoch sagte Diego, dass es inzwischen zu spät sei, mit der ganzen Gruppe nach IW zu fahren. Er würde alleine fahren und versuchen, die Sache irgendwie jetzt schnell zu regeln.

Abends rief er mich an und sagte, am nächsten Tag, also Donnerstag, sollen wir alle um 9 Uhr in Higuey sein.

Donnerstag, 23. März

Um 9 Uhr war unsere Gruppe vor dem Gerichtssaal in Higuey.

Wir warteten 2–3 Stunden dort, ohne dass etwas passierte.
In der Zwischenzeit versuchte Diego irgendetwas zu erreichen.

Gegen Mittag wurde uns gesagt, dass der Fiscal, der diese Angelegenheit bearbeitet, heute überhaupt noch nicht erschienen sei.
Er sei angeblich morgens früh sofort nach Santo Domingo gefahren, um dort eine wichtige Sache zu verhandeln.

Und einen anderen Fiscal für unsere Angelegenheiten konnte Diego wohl so schnell nicht auftreiben.

Deswegen sei heute – an diesem Donnerstag – nichts erreicht und das Gericht hat einen neuen Termin angesetzt für den nächsten Morgen, Freitag den 24. März, ebenfalls morgens um 9 Uhr.

Freitag, 24. März

Um 9 Uhr war unsere Gruppe wieder vor dem Justizpalast in Higuey. Auch jetzt gab es keine richtige Verhandlung, sondern wieder allgemeines Warten.

Gegen 11 Uhr erklärte uns Diego, der inzwischen ab und zu auftauchte und wieder verschwand, dass es offensichtlich an diesem Freitag eine Diskussion bei der Gegenseite gegeben hat.

Die vier Anwälte, die man bisher dort beschäftigte, hätten erklärt, sie würden den Fall so nicht weiterführen. Entweder haben sie kein Geld bekommen oder was auch immer, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist die Gegenseite ohne Anwälte erschienen. Daraufhin hat der Fiscal keine Untersuchung und Befragung angeordnet. Wir können also nach Hause fahren und der Fall sei insgesamt wohl jetzt endgültig erledigt.

Diego sagte nur, wenn wir jetzt am Nachmittag alle wieder in Bavaro sind, würde er gern um 17 Uhr in seinem Büro mit Marc und mir über das Honorar sprechen, denn offensichtlich sei die Sache ja jetzt erledigt. Ich sagte das zu.

Kurze Zeit später fuhren Marc und ich zu Diego und man einigte sich auf ein Honorar für den Anwalt von 2000 $. Die Hälfte zahlbar sofort, die andere Hälfte, wenn alles wirklich erledigt ist. Marc war damit einverstanden und zahlte 1000 $ Cash.

Ich dachte jetzt wirklich, dass das Ganze endgültig erledigt ist.

Am Sonnabend 25. und Sonntag 26. passierte nichts.

Am Montag, den 28. März rief Diego mich nachmittags an und sagte, er hätte schlechte Nachrichten.

Die Gegenseite sei mit einem anderen Anwalt wieder bei Gericht gewesen.

Man hätte die gleichen Anschuldigungen – in Deutschland würde man sagen: versuchter Totschlag mit Todesfolgen oder so etwas Ähnliches – wieder erhoben und die Sache könne jetzt gefährlich werden für Marc.

Es sei vom Gericht bereits ein Termin für den nächsten Tag um 9 Uhr angesetzt worden.

Das bedeutete, dass wir also jetzt am nächsten Tag mit der ganzen Gruppe wieder nach Higuey fahren sollten.

Dienstag, 28. März

Morgens um neun war unsere Gruppe wieder in Higuey.

Wir wurden in das Gebäude geführt und Marc musste seinen Pass zeigen und es war alles sehr formal geworden. Eine halbe Stunde später wurden wir in einen Raum geführt, in dem eine Frau saß, die als Fiscal fungierte.

Von der Gegenseite waren der Schweizer, seine Frau und sein Anwalt bereits anwesend.

Der Fiscal verlas die Anklage und fing an Fragen zu stellen, um sich ein Bild von der Sache zu machen.

Ich selber sollte als Dolmetscher fungieren, weil der Fiscal wohl kein Englisch sprach und Marc kein Wort Spanisch.
Diego spricht ein klein bisschen Englisch, aber wirklich nur rudimentär.

Ich selber spreche wohl fließend Spanisch und Englisch, aber die Sprache des Gerichts ist für mich in jeder Sprache ein Buch mit sieben Siegeln.

Selbst in Deutsch fühle ich mich überfordert, wenn ich irgendwelche Urteile oder Gutachten lesen muss. Dass Juristen ihre eigene Sprache haben ist bekannt, und meine allgemeinen Sprachkenntnisse reichen mit Sicherheit nicht aus, um irgendwelche juristischen Texte und Fragen in anderen Sprachen korrekt zu übersetzen.

Der Schweizer sprach fließend Spanisch, Englisch und sicherlich auch Deutsch. Seine Frau sprach fließend Englisch und Spanisch.
Als ich einige Fragen des Fiscal an Marc übersetzte, gab es sofort Einspruch von der anderen Seite, dass die Übersetzung nicht hundertprozentig korrekt gewesen sei und so weiter.

Die Fiskalin – oder wie immer wir sie als weibliche Fiscal benennen sollen – beendete dann auch ziemlich schnell die Befragung und sagte, man brauche einen offiziellen, legitimierten Übersetzer für Englisch und Spanisch. Sie dankte mir für meine Bemühungen, aber für ihr Urteil braucht man eine legitimierte Übersetzung.

So eine offizielle Person für eine offizielle Übersetzung müsse erst gesucht werden und dann gäbe es einen neuen Termin.

Und dann kam der Hammer:

Bis zu dieser Zeit ist Marc jetzt durch ihren Beschluss erst mal unter Arrest gesetzt.

Ob Fluchtverdacht bestand, ob Kaution möglich war, es war alles für mich völlig unklar. Aber alles war von der anderen Seite bereits sehr geschickt vorbereitet.

Ich war irgendwie auch schon vorgewarnt, denn als wir morgens um acht das Kondominium verließen, um pünktlich 9 Uhr in Higuey bei Gericht zu sein, erhielten wir 10 Minuten später im Auto einen Anruf von unseren Wachleuten aus dem Kondominium.

Uns wurde mitgeteilt, dass die Polizei mit zwei Wagen eingetroffen war, vor dem Kondominium stand und man suchte einen Marc Fox, um ihn zu verhaften und ins Gefängnis zu bringen.

Der Haftbefehl sei mitgebracht worden, und Marc solle einfach nur abgeholt werden.

Als die Wachleute erklärten, dass Marc bereits auf dem Weg zum Gericht sei, verließ die Polizei unser Kondominium.

Aber die Tatsache, dass die Gegenseite so einen Haftbefehl bereits durchgesetzt hatte, erschien mir doch sehr schwerwiegend und gab mir zu denken.

Ich erzählte Marc nichts über diesen Anruf, um ihn nicht weiter zu verunsichern.

Nach der Feststellung der Fiskalin, dass Marc jetzt unter Arrest sei, wurde Marc von 2 Beamten oder Polizisten abgeführt und verschwand.

Diego ging mit Marc und versuchte sein Möglichstes, in irgendeiner Form den Beschluss noch zu ändern.

Unsere Gruppe musste dann wieder mehrere Stunden auf dem Gericht warten, ob noch irgendetwas von Diego wegen der Verhaftung von Marc erreicht wurde.

Choco bekam Mitteilung über den Anwalt der anderen Seite, dass man es bedaure, dass es soweit gekommen sei und man würde sich doch gerne friedlich einigen und was wir denn bereit sind zu zahlen.

Es lief auf das hinaus, was ich die ganze Zeit insgeheim dachte: Es ist alles ein abgekartetes Spiel und es geht nur um Geld und um nichts weiter.

Aber jeder versteckt sich erstmal so gut er kann hinter solchen Geldforderungen, um nicht aufzufallen.

Choco berichtete Diego über dieses erste Angebot der Gegenseite und Diego sagte, das sei normal aber auch gefährlich.

Denn wenn wir irgend eine Summe zahlen würden, kann das sofort als Bumerang auf uns zurückfallen mit der Begründung: Seht ihr, die anderen haben jetzt gezahlt. Das ist doch ein klares Schuldeingeständnis und mit diesem Beweis soll die Strafe dann noch drastischer sein.

Einen Vergleich in irgendeiner Form durch Zahlung gibt es sicherlich auch, aber wie so etwas genau aussieht und hier läuft, weiß ich ehrlich gesagt nicht, das habe ich auch noch nie miterlebt. Aber davon gehört man natürlich schon diverse Male.

Irgendwann nach 2 oder 3 Stunden bekamen wir die Nachricht, dass man Marc aus der normalen Gefängnishaft wieder rausgelassen und in ein anderes Gefängnis gebracht hätte. Das soll eine Art Untersuchungsgefängnis sein für Fälle, in denen es nicht direkt um schwere Kriminalität ginge.

Ich habe dann später von Marc gehört, dass in dem ersten Gefängnis, in das man ihn brachte, er unter Schwerkriminellen war, die ihn sofort fragten, was er in der Tasche hat und sie wollten sein Telefon haben und alles, was er am Leib trug, würden sie ihm wegnehmen.

Er wurde dann von der Polizei in das andere Untersuchungsgefängnis gebracht.

Diego fuhr zurück nach Bavaro, weil er heute offensichtlich nichts mehr erreichen konnte.
Ich fragte zusammen mit Choco und meiner Frau diverse Leute, wo dieses neue Gefängnis sei und fand es dann auch.

Als wir schließlich in diesem Gefängnis waren, fragte ich, ob man ihm etwas zu essen bringen könnte usw. Das wurde erlaubt und dann gingen wir los und kauften ihm erst mal etwas zu essen und gaben ihm auch noch Geld, damit er etwas hatte, um eventuell den Wärtern etwas zu geben.

Natürlich war Marc sehr niedergeschlagen, dass er jetzt tatsächlich verhaftet sei und im Gefängnis war.

Es war ein relativ kleines Gefängnis und ich hatte den Eindruck, dass es hier ziemlich unbürokratisch zuging.

Wir hatten inzwischen von Diego gehört, dass ein neuer Termin für den nächsten Morgen um 9 Uhr im Gericht in Higuey angeordnet worden war. Nachdem wir dies Marc erklärten, mussten wir uns verabschieden und fuhren zurück nach Bavaro in unser Kondominium.

Mittwoch, 29. März

Wieder mit unserer gesamten Gruppe morgens früh nach Higuey.
Ich weiß inzwischen schon nicht mehr, ob es das fünfte oder sechste Mal war. Diese täglichen Fahrten zum Gericht haben ein Gefühl der Routine entwickelt, die ich selber schon bald als unheimlich empfand.

Auf dem Weg zum Gericht fuhr ich noch morgens erst mal direkt zum Gefängnis, in dem Marc war.

Ich wollte zwei Sachen erreichen:
Zum einen natürlich sehen, wie es ihm geht. Und zum anderen wollte ich sehen, ob er schon zum Gericht gebracht wurde, denn das würde bedeuten, dass die Verhandlung wirklich wohl früh beginnen würde.

Wir waren deswegen kurz nach 8:30 Uhr schon im Gefängnis in Higuey vor dem Tor.

Da sah ich, dass Marc bereits in Handschellen, an einen Polizisten gekettet, vor einem Auto der Polizei wartete, um dann zum Gericht gefahren zu werden.

Ich sprach mit ihm, er war natürlich auch wieder sehr niedergeschlagen. Er sagte nur, er hoffe inständig, dass er heute freigelassen wird.

Wir hatten einen kleinen Beutel mitgebracht mit seinen Tabletten, mit etwas Geld und mit kleinen Lebensmitteln und Getränken, damit er versorgt ist, wir wussten ja nicht, wie die Versorgung im Gefängnis sein würde.

Erst wollte die Polizei nicht erlauben, dass ihm die Medikamente gegeben werden. Als ich dann aber sagte, er sei herzkrank und wenn er die Medikamente nicht bekommt, dann ist derjenige hier verantwortlich, der die Medikamente verweigert.

Daraufhin änderte die Polizei, die ihn begleitete, ihre Meinung und erlaubte, dass er zumindest die Medikamente sofort nehmen konnte und war auch sonst freundlicher zu mir.

Ich ging also davon aus, dass jetzt kurz nach neun endlich eine Verhandlung stattfinden würde.

Vor dem Gericht warteten wir dann wieder stundenlang. Diego war drinnen und versuchte irgendetwas zu erreichen.

Was im Einzelnen diskutiert wurde, weiß ich nicht, ich erhielt auch kaum Information.

Gegen Mittag sagte Diego dann, die Verhandlung hätte sich zerschlagen und es ist aus irgendwelchen Gründen ein neuer Termin angesetzt worden, jetzt am Freitag dieser Woche, also am 31. März.

Inzwischen hatten wir durch andere Kanäle erfahren, dass die Gegenseite 200.000 Pesos verlangte, also ca. 5000 $, und dass sie dann nicht mehr auf ihren Forderungen bestehen würde. Über einen anderen Kanal hatten wir gehört, dass man 50.000 $ verlangen würde. Es herrschte hier auch, außer den verschiedenen Gerüchten, überhaupt keine Klarheit.

Was mich sehr betrübte war die Tatsache, dass ganz offensichtlich Diego hier in dieser Stadt überhaupt keine Freunde oder Bekannte hatte. Alle anderen Anwälte, die in diesem Gericht ein und ausgingen, kannten sich untereinander. Sie waren wohl überwiegend aus der Stadt und kannten das ganze Prozedere.

Sie kannten die Richter, die Fiskalen und alles war irgendwie aufgeteilt, ein einziges großes Theater.

Nur Diego irrte mehr oder weniger als Einzelkämpfer überall herum und stieß wohl immer wieder auf Mauern und Barrieren.

Dieses ist ausdrücklich mein ganz persönlicher Eindruck und ich kann ihn durch nichts belegen oder beweisen. Aber so, wie ich die letzten Tage die Situation vor dem Gericht und im Gericht in Higuey erlebt habe, ist das für mich der einzige realistische Grund, weshalb Marc da immer noch im Gefängnis sitzt.

Ich habe aber keine anderen Möglichkeiten und auch die amerikanische Botschaft wird nichts anderes machen als einen Anwalt zu empfehlen.

Und wenn wir sagen: Wir haben bereits einen Anwalt, dann wird die Botschaft nur sagen: Dann ist ja alles o.k. und wenn Sie wollen, können wir den Amerikaner im Gefängnis mal besuchen, aber mehr können wir für ihn auch nicht machen.

Peter, der treue Amerikaner, der immer mitkommt, hatte inzwischen mehrmals mit der Botschaft telefoniert und er hat mehr oder weniger das zu hören bekommen, was ich eben aufgeschrieben habe.

Insofern ist ein Vorgehen über die Botschaft auch im Moment ziemlich sinnlos.

Als wir nun heute hörten, dass die nächste Verhandlung für übermorgen – also Freitag 31.3. um 9 Uhr – angesetzt war, bin ich mit meiner Gruppe in den größten Supermarkt der Stadt gefahren und habe das eingekauft, was Marc uns aufgegeben hatte.

Also Handtücher, Seife, Zahnpasta, Shirts und Shorts und sonstige Sachen. Auch Geld und eine Batterie und ein Ladegerät für sein Telefon. Es ist Marc manchmal verboten worden zu telefonieren, manchmal konnte er wohl telefonieren – genau weiß ich es nicht.

Als ich im Supermarkt war und alles organisierte, erhielt ich einen Anruf aus den USA und es meldete sich dort die Anwältin Debra Crane.

Ich bin altersbedingt schon ziemlich schwerhörig und telefoniere nur noch sehr ungern. Außerdem war in diesem großen Supermarkt laute Musik und dann noch ein Gespräch aus den USA. Ich sagte Debra Crane, sie solle sich bitte per E-Mail oder WhatsApp bei mir melden und ich würde ihr dann berichten.

Inzwischen habe ich 4 E-Mails von Debra Crane hier vor mir liegen, die ich versuche, jetzt erst mal mit diesem langen, allgemeinen Bericht zu beantworten:

Ich sehe ehrlich gesagt keine realistische Möglichkeit, dass man hier in dem Fall von den USA aus konkret in irgendeiner Form eingreifen kann. Vielleicht irre ich mich, das wäre natürlich schön.

Zusammengefasst ergibt sich für mich folgendes Bild:

Es wird immer klarer, dass das Ganze ein abgekartetes Spiel war. Die Gegenseite wollte von Anfang an provozieren. Sie wollte, dass Marc auf die Frau schlägt. Man wollte dafür Zeugen haben. Es sollte dann ein Haftbefehl erstellt werden, und man wollte Marc auf kleiner Flamme so lange kochen, bis er aufgibt. Man wollte dann Geld kassieren wegen einer angeblichen Abtreibung und man hatte Ärzte, die das zertifizierten – es war alles perfekt vorbereitet.

Das ist natürlich im Moment auch nur meine persönliche Meinung, die ich durch nichts belegen kann.

Aber ich bin jetzt über 20 Jahre hier in der Dominikanischen Republik und ich habe vorher zehn Jahre in Südamerika gelebt, dann 20 Jahre in China und weitere Zeiten in Australien, Südafrika, Island, Südafrika und den USA – ich kenne die Welt und ich habe schon alles Mögliche erlebt.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Eindruck stimmt.

Marc hatte zu der Forderung von 5000 $, die gestern an uns herangetragen wurde, schon gesagt, er würde sofort bezahlen und die Konsequenzen seien ihm egal.

Natürlich ist sein psychischer Zustand jetzt durch die Haft und die ganzen Umstände sehr schlecht.

Aber ehrlich gesagt ist es besser zu akzeptieren, dass wir es mit Profis zu tun haben, die ihre Sache perfekt vorbereitet haben und perfekt durchführen.

Dagegen sind wir allein. Auch wenn wir einen Anwalt haben, der sich bemüht, aber der in dem ganzen Szenarium meiner Meinung nach nicht so mitspielen kann, wie es vielleicht nötig ist.

Ich weiß aus den 72 Jahren meines Lebens, dass man gelegentlich auch akzeptieren muss, dass man verloren hat, auch wenn man selber nur auf der guten Seite war.

Es nützt manchmal nichts, wenn man es mit Profis zu tun hat.
Man muss wissen, dass man auch verlieren kann, auch wenn es Kriminelle sind.

Diesen ganzen Bericht werde ich jetzt im Internet über Google ins Englische und Spanische übersetzen lassen.

Dabei werden diverse Fehler in der Interpretation und im Verständnis entstehen.

Ich bin aber nicht in der Lage, jetzt noch alles auch in anderen Sprachen zu korrigieren, dazu reichen meine Zeit und meine Fähigkeit nicht aus.

Deshalb Folgendes:
Wenn in den entsprechenden Übersetzungen Punkte sind, die einfach unverständlich sind, bitte markieren und mich fragen.
Ich werde dann versuchen, hierzu eine klare und einfache Stellungnahme abzugeben.
Mehr kann ich im Moment nicht machen.

Bavaro, Punta Cana, Mittwoch, den 23. März um 23 Uhr

Thewes Henckell

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